Ein Mailänder Gericht hat den früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi im sogenannten „Ruby-Prozess“ schuldig gesprochen. Die Richterinnen verurteilten ihn in erster Instanz zu einer Haftstrafe von sieben Jahren. Zudem darf der 76-Jährige keine öffentlichen Ämter mehr übernehmen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Beide Seiten können Berufung einlegen. Definitiv würde die Verurteilung dann erst in dritter Instanz.
Mit dem Strafmaß übertrafen die drei Richterinnen sogar die von der Anklage geforderten sechs Jahre Haft. Entsprechend fielen die ersten Reaktionen gestern Abend aus: „Ein bestialisches Urteil”, empören sich Berlusconi-Getreue. Vor dem Gerichtsgebäude bilden sich spontane Demonstrationen. Berlusconi-Anhänger pfeifen aus Protest. Gegner jubeln.
Kein Entkommen für Berlusconi? Urteil lässt kaum Berufungsmöglichkeiten
Der rechte Senator Lucio Malan sprach von einem „regelrechten Attentat auf die Demokratie“. Mehrere Medien warnten, dass Berlusconis Partei infolge des Urteils der Regierung von Enrico Letta die Unterstützung entziehen könnte.
Die Chancen des früheren Regierungschefs, in einer späteren Instanz doch noch ungeschoren davonzukommen, schätzen Experten als nicht besonders hoch ein. „Ein wirklich komplexes Urteil, was auch der Berufung wenig Möglichkeiten lassen wird“, sagen Gerichtsbeobachter.
Ruby alias Karima El Mahrough bei ihrem eigenen Prozess nicht anwesend
Über sieben Stunden hatte die Wartezeit auf das Urteil gedauert, nur drei Minuten die Verlesung. „Das Gericht verurteilt Silvio Berlusconi ...“ – die Vorsitzende Giulia Turri spricht diese Worte so sachlich-routiniert, als handele es sich um irgendein beliebiges Verfahren. Um kurz vor zehn Uhr vormittags hatten sie und ihre zwei Mitrichterinnen zur Beratung den Saal verlassen. Es ist der Schlusspunkt im „Ruby-Prozess“. Der spektakuläre Fall endet damit – vorerst – recht geschäftsmäßig. Der Hauptangeklagte ist, wie so oft in diesem Verfahren, gar nicht persönlich anwesend.
Auch die Marokkanerin Karima el-Mahroug, genannt „Ruby Rubacuore“ (Herzensbrecherin), lässt sich nicht blicken. Ihretwegen wird der 76-jährige Ex-Ministerpräsident wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten und wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Und nicht einmal die Hauptanklägerin, Staatsanwältin Ilda Boccassini, ist gekommen. Derzeit macht „die rote Ilda“, so genannt wegen ihrer Haarfarbe, Urlaub.
Silvio Berlusconi kann einer Gefängnisstrafe möglicherweise nicht engehen
Dass Berlusconi trotz des harten Urteils letztlich – wie nach früheren Prozessen – den Gang ins Gefängnis mal wieder vermeiden kann und stattdessen beispielsweise aus Altersgründen „nur“ Hausarrest erhält, ist alles andere als sicher. Zwar wird die Urteilsvollstreckung erst nach den beiden möglichen Berufungsinstanzen fällig. Doch die Regierung arbeitet gerade an einem Dekret, das bei mehr als vier Jahren Haft auch für ältere Verurteilte die Gefängnisstrafe vorsieht.
Dass es im „Ruby-Prozess“ ein Schuld- und kein Freispruch sein würde – in Italien hatte daran schon lange niemand mehr gezweifelt. Nicht einmal Berlusconis Getreue. Und das trotz aller Unschuldsbeteuerungen, trotz windiger Helfershelfer und der zweifellos geschickten Taktik seiner Anwälte.
Italiener schmunzeln über Berlusconis Rechtfertigungsversuche
Seine Gegner sahen ihn für schuldig an, weil sie das Beweismaterial für erdrückend hielten. Etliche Zeugen – vor allem Zeuginnen – hatten vor Gericht ausgesagt: Es gab sie, die Bunga-Bunga-Partys mit leicht bekleideten Tänzerinnen in Berlusconis Villa, mit bezahlten Sexausschweifungen bis tief in die Nacht hinein. Die damals minderjährige Ruby war dabei und soll tausende an Euro, wenn nicht gar Millionen, erhalten haben.
Viele Italiener schmunzelten nur noch über Berlusconis Rechtfertigungsversuche. Er will «Ruby»: Ich gab mich für 19 aus und sah nichts AnrüchigesProzesseRuby für 24-jährig gehalten haben. Und für eine Verwandte des ägyptischen Ex-Präsidenten Hosni Mubarak. Weshalb er sie vor der Festnahme schützte, als sie unter Diebstahlsverdacht stand. Berlusconi brachte das den Vorwurf des Amtsmissbrauchs ein. Er verteidigte sich, er habe nur diplomatische Verwicklungen vermeiden wollen. Staatsanwältin Boccassini ist dagegen sicher, er wollte den Sex mit einer Minderjährigen vertuschen. Das Gericht glaubte der Staatsanwältin.