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Ritual: Das Klopfen fand Gehör

Ritual

Das Klopfen fand Gehör

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    Wien Pater Gottfried Undesser ist angespannt: „Nein, ich gebe jetzt kein Interview. Ich warte auf die Erzherzogin Yolanthe. Sie ist eine betagte Dame und muss sich ausrasten, bevor die Zeremonie anfängt“, sagt er. Der Kapuzinerpater mit brauner Kutte und weißem Bart ist die wichtigste lebende Person am sonnigen

    Pater Gottfried ist die Schlüsselfigur

    Traditionsgemäß öffnet Pater Gottfried die Tür zur Kaisergruft erst nach einer vielsagenden Klopfzeremonie. Dreimal muss der Zeremonienmeister in historischem Heroldskostüm, ein Freund der Familie Habsburg, mit seinem Holzstab mit Silberknauf auf eine Leiste am unteren Ende der

    In diesem Moment scheint die Zeit stehen geblieben zu sein – auch wenn die Klopfzeremonie, die den Zugang zum Himmelstor eröffnen soll, jüngeren Datums ist. Sie wurde 1989 beim Begräbnis der Kaiserin Zita zum ersten Mal praktiziert. .

    Die Gesichter sind jedenfalls ernst. Noch vor der Familie folgen acht Ritter des 1430 gegründeten Ordens vom Goldenen Vlies dem Sarg. Otto von Habsburg war Mitglied, seine Ordenskette wird von einem deutschen Kapitänleutnant in Reserve, dem Habsburg-Enkel Severin Meister, auf einem Samtkissen getragen.

    Bis König Carl Gustav und Königin Silvia von Schweden, das Fürstenpaar zu Liechtenstein, die Prinzessinnen Astrid und Paola aus Belgien, Infantin Cristina aus Spanien und viele andere die kühle Kapuzinerkirche betreten dürfen, vergehen etliche Minuten. Die Gäste aus den europäischen Adelshäusern gehen ebenso wie viele andere Trauergäste im „Kondukt“ genannten zwei Kilometer langen Umzug durch Wien mit. Flankiert von einigen tausend staunenden Touristen und schaulustigen Wienern strahlen einige große Ernsthaftigkeit aus, andere plaudern fröhlich wie beim Heurigen. Bunt wird der Kondukt durch farbenprächtige Schützen, vor allem aus Tirol, Kaiserjäger, Deutschmeister, Studentenverbindungen und Traditionsverbände aus allen ehemaligen „Kronlanden“ des Habsburgerreiches.

    „All diese Verbände als Vertreter der Provinzen der Donaumonarchie sieht man heute zum letzten Mal zusammen“, sagt eine ältere Dame in Schwarz mit praktischen Laufschuhen. „Deshalb bin ich als Nachgeborene hier. Wir haben uns die Republik schwer erkämpft, aber die Habsburger sind unsere Geschichte.“ Ähnlich sieht es Milan Horacek, Tscheche und Vertreter der grünen Heinrich-Böll-Stiftung in Prag. Er hat mit Otto von Habsburg im Europaparlament blendend zusammengearbeitet: „Eine Epoche geht zu Ende“, sagt er. „Außerdem gefallen mir diese katholischen Rituale sehr gut.“

    Bei dem manchmal beschwingten Requiem in c-Moll von Michael Haydn im Wiener Stephansdom, das Kardinal Christoph Schönborn, selbst aus gräflichem Haus, innig zelebriert, werden alle in Österreich verbotenen Adelstitel genannt. In den Bänken sitzt Europas Hocharistokratie. Die Damen präsentieren sich comme il faut mit schwarzen Spitzenschleiern und langen Ärmeln bei brütender Hitze.

    Die sozialdemokratischen Vertreter der Republik – Bundespräsident Heinz Fischer und seine Frau Margit sowie Bundeskanzler Werner Faymann – reagieren gefasst, wenn auch leicht säuerlich, als die Kaiserhymne angestimmt wird. Es sei „eine Hommage an die Geschichte“, entschuldigt sich der Kardinal.

    Nach dem Begräbnis ist „die Trauer zu Ende“

    Eine junge blonde Frau mit Babybauch erklärt, warum sie an den Feierlichkeiten teilnimmt. „Meine Eltern sind hier sehr involviert, sie tragen beide gräfliche Titel. Es gehört sich einfach, dass ich auch herkomme“, sagt Viktoria Gudenus.

    Kapuzinerpater Anton empfiehlt, das Ganze nicht so ernst zu nehmen: „Der Österreicher ist anfällig für das monarchistisch Angehauchte, aber er hält keine lange Trauer aus. Auch bei der Kaiserin Zita war sie nach dem Begräbnis zu Ende“, sagt er lächelnd.

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