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Revolutionen: Junge Rebellen in der arabischen Welt

Revolutionen

Junge Rebellen in der arabischen Welt

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    Die junge Frau setzt sich für ein freies Libyen ein. Das Bild entstand in einem Flüchtlingslager an der libysch-tunesischen Grenze. Viele Aufständische sind dorthin vor Gaddafis Truppen geflohen.
    Die junge Frau setzt sich für ein freies Libyen ein. Das Bild entstand in einem Flüchtlingslager an der libysch-tunesischen Grenze. Viele Aufständische sind dorthin vor Gaddafis Truppen geflohen. Foto: Foto: dpa

    Die Frage wird oft mit bangem Unterton gestellt: Wer sind die Rebellen, die in Libyen, dem Jemen oder Syrien ihr Leben im Kampf gegen ihre jeweiligen Diktatoren riskieren? Und in der Tat, wofür die Oppositionsbewegungen politisch stehen, lässt sich kaum verlässlich beurteilen. Die Gruppen sind zumeist sehr heterogen – vereint in erster Linie in dem Willen, sich von brutalen, korrupten und willkürlichen Regimen zu befreien.

    Doch es gibt auffällige Gemeinsamkeiten. Verwackelte Handy-Videos oder Fotos aus den Krisengebieten zeigen es deutlich: Das Gros der Demonstranten ist jung. Jung und unzufrieden. Der Islam-Experte Hamed Abdel-Samad, der die Revolution in Ägypten hautnah miterlebte, hat die Stimmung unter den Jugendlichen, das Leiden an einer bedrückenden Perspektivlosigkeit – auch in dieser Zeitung – geschildert: „Alles begann mit einer Gruppe von jungen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, deren Stimmen man früher nicht gehört hat. Sie wurden als Taugenichtse bezeichnet, die im Internet rumhängen. Sie haben sich über Internet, Facebook und Twitter organisiert.“ Abdel-Samad schwärmt von dem Mut und der Entschlossenheit, die er in Kairo erlebt hat. Er habe „in den Augen den Durst nach Freiheit und Würde gesehen“.

    Kaum Chancen auf gesellschaftliche Anerkennung

    Zumindest auf den ersten Blick nüchterner ist die Herangehensweise der Wissenschaftlerin Wenke Apt, die – akribisch mit Datenmaterial unterlegt – die Zusammenhänge zwischen Demografie und den Aufständen unter die Lupe genommen hat. Die Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik legt in ihrem Aufsatz „Aufstand der Jugend“ dar, dass folgende Indikatoren auf ein großes Konfliktpotenzial hinweisen: Hoher Anteil von Jugendlichen in der Bevölkerung; steigendes Bildungsniveau; hohe Jugendarbeitslosigkeit und damit einhergehend geringe Chancen, gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen. Hinzu kommen „fehlende Sicherheitsventile“. Gemeint sind die durch eine restriktive Einwanderungspolitik der westlichen Industrieländer eingeschränkten Möglichkeiten, sich der Misere durch Auswanderung zu entziehen. Zusammengenommen entsteht ein für verschiedene Machthaber brandgefährlicher Cocktail, der gepaart mit einem Defizit an demokratischen Strukturen nach Ansicht der Wissenschaftlerin als Treibstoff für Aufstände diente und dient.

    Wenke Apt hütet sich davor, ihre Indikatoren als allgemeingültige Formel für Rebellionen zu überhöhen. Doch wenige Wochen nach der Veröffentlichung von „Aufstand der Jugend“ begannen die Proteste in Syrien – ein Land, welches verblüffend genau in das Schema passt.

    Einige Zahlen: Syrien weist nach Zahlen der Weltbank eine geschätzte Jugendarbeitslosigkeit von rund 26 Prozent (2005) auf. Gleichzeitig steigt der Anteil der jungen Frauen und Männer mit einem Hochschulabschluss (2007: rund 26 Prozent) seit Jahren beständig. Das Durchschnittsalter liegt mit 21,7 Jahren noch spürbar niedriger als in Ägypten mit 24,8 oder in Libyen mit 23,9. Zum Vergleich: Deutschland weist einen Durchschnitt von fast 44 Jahren auf. Andersherum gerechnet: Während in

    Warum aber fehlen vergleichbare Bewegungen in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara? Apts Antwort: Dort sei vielerorts die Not derart groß, dass „die Versorgung mit Wasser, Nahrung und Wohnungen Priorität vor der Verwirklichung immaterieller Werte wie Demokratie und individueller Selbstentfaltung hat“.

    In Ägypten, Syrien und im Maghreb können nach Ansicht von Wenke Apt nur die Schaffung effektiverer Verwaltungen, einer wettbewerbsfähigen Industrie und verlässlicher Investitionsbedingungen für Stabilität sorgen. Eben dort müsste die Hilfe der EU ansetzen.

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