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Rettungspaket für Griechenland: Denkzettel für Merkel bei Griechenland-Votum im Bundestag

Rettungspaket für Griechenland

Denkzettel für Merkel bei Griechenland-Votum im Bundestag

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    Bundeskanzlerin Merkel wirbt um die Zustimmung der Abgeordneten zum Griechenland-Paket.
    Bundeskanzlerin Merkel wirbt um die Zustimmung der Abgeordneten zum Griechenland-Paket. Foto: dpa

    Der Bundestag hat am Montag das zweite Rettungspaket für Griechenland verabschiedet. Zwar nahm eine klare Mehrheit der Abgeordneten den Antrag an, doch 20 Abgeordnete von Union und FDP verweigerten die Zustimmung. Das Hilfspaket im Volumen von 130 Milliarden Euro verfehlte damit im

    Koalition verfehlt Kanzlermehrheit

    Für das Griechenland-Paket stimmten in namentlicher Abstimmung  insgesamt 496 Abgeordnete, auch die Oppositionsfraktionen von SPD  und Grünen stimmten mit großer Mehrheit dafür. Es gab 90  Nein-Stimmen, die meisten von ihnen aus den Reihen der Linkspartei.  Fünf Abgeordnete enthielten sich. 304 der Ja-Stimmen kamen von der  Koalition, die damit eine eigene Mehrheit hatte, aber die  Kanzlermehrheit von 311 Stimmen knapp verfehlte. Das von den  Euro-Finanzministern ausgehandelte Hilfspaket hat einen Umfang von 130 Milliarden Euro, der deutsche Anteil daran steht noch nicht  genau fest.

    Bei der Union gab es 13 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen, bei  der FDP votierten vier Abgeordnete gegen das Gesetz, es gab eine  Enthaltung. Insgesamt fehlten sechs Abgeordnete der Koalition bei  der Abstimmung. Die Zahl der Abweichler in der Koalition war mit 20  deutlich höher als bei dem umstrittenen Votum über den erweiterten  Euro-Rettungsfonds EFSF im September, bei dem 15  Koalitionsabgeordnete die Zustimmung verweigerten.

    Opposition: CDU hat kein Vertrauen mehr in Merkel

    Für die Annahme des Antrags hatte das Verfehlen der  Kanzlermehrheit keine Auswirkung. Die Opposition wertete es aber als Zeichen eines Vertrauensverlusts für Merkel in den eigenen  Reihen. "Merkels Kanzlerschaft erodiert", erklärten die  Grünen-Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast. "Jetzt ist  Kanzlerinnendämmerung."

    SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, Merkel  habe "von den eigenen Leuten die Quittung dafür bekommen", dass sie  die Krise nicht in den Griff bekomme. FDP-Generalsekretär Patrick  Döring kritisierte im "Tagesspiegel" vom Dienstag, dass die  Unterstützung beim Koalitionspartner Union für den Euro-Kurs "ganz  offensichtlich kontinuierlich schwindet".

    Merkel weist Forderungen aus eigenen Reihen zurück

    In ihrer Rede wies Merkel auch unter Verweis auf unkalkulierbare Folgen die Forderungen aus den eigenen Reihen nach einem  Austritt Griechenlands aus der Eurozone zurück: "Niemand kann abschätzen, welche Folgen eine ungeordnete Insolvenz für uns alle und auch für die Menschen in Deutschland hätte." Die Kanzlerin räumte zugleich Ungewissheiten ein: "Eine hundertprozentige  Erfolgsgarantie kann niemand geben."

    Als Kanzlerin müsse sie zwar zuweilen Risiken eingehen,  "Abenteuer darf ich nicht eingehen, das verbietet mein Amtseid." In der Euro-Krise gebe es die schnelle Lösung "eines Befreiungs- oder  Paukenschlages" nicht, sagte Merkel weiter. "Wir befinden uns  inmitten eines langen und schwierigen Prozesses."

    Peer Steinbrück äußert sich skeptisch über Erfolgsaussichten

    Kanzlermehrheit und eigene Mehrheit

    Die sogenannte Kanzlermehrheit ist die absolute Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag - also 50 Prozent plus eine Stimme.

    Zurzeit (Stand 27. Februar 2012) sind dazu mindestens 311 Ja-Stimmen der schwarz-gelben Koalition nötig, weil das Parlament 620 Abgeordnete hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bisher bei allen wichtigen Euro-Abstimmungen diese Mehrheit erreicht.

    Die sogenannte eigene Mehrheit ist erreicht, wenn die Zahl der Ja-Stimmen aus dem Regierungslager größer ist als alle anderen Stimmen zusammen, auch wenn das nicht die absolute Mehrheit ist. Dass eine Regierungskoalition bei einer wichtigen Abstimmung im Bundestag keine eigene Mehrheit zustande bringt, war in der bundesdeutschen Geschichte selten.

    Nach wochenlangem Parteienstreit beschloss der Bundestag im August 2001 zwar mit klarer Mehrheit den Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr.

    Doch die rot-grüne Koalition erreichte trotz des Werbens von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) erstmals seit Regierungsantritt keine eigene Mehrheit. 19 SPD-Parlamentarier und 5 Grüne stimmten dagegen.

    Streit um die Ostpolitik spaltete die seit 1969 regierende SPD/FDP-Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). 254 der 496 Abgeordneten im Bundestag gehörten zunächst der Koalition an.

    Zwei Parlamentarier der SPD und vier der FDP wechselten jedoch die Seiten, so dass es bei der Abstimmung über die Ostverträge 1972 zum Patt kam. Über die Vertrauensfrage führte Brandt eine Neuwahl herbei, aus der er gestärkt hervorging. dpa

    FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle lobte in der Debatte die  erfolgreiche "europapolitische Schwerstarbeit" der Koalition.  Brüderle verteidigte die strengen Sparforderungen an Athen. "In  Griechenland kann man den schuldenfinanzierten Wohlfahrtstaat in  seiner ganzen Pracht betrachten." Er hoffe, dass die Griechen in  Zukunft "Maß halten lernen". Der Unions-Finanzexperte Michael  Meister (CDU) betonte vor der Sitzung, das Paket bedeute eine  "reale Chance für Griechenland", Defizit und Wachstumsschwäche in  den Griff zu bekommen.

    Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) äußerte  sich skeptisch über die Erfolgsaussichten des Griechenland-Pakets.  Eine Stabilisierung Griechenlands könne nur gelingen, wenn das Land  ein sehr starkes Wachstum erziele. Dies sei angesichts des  "Abwärtssogs" aus Arbeitslosigkeit, sinkender Steuereinnahmen und  einbrechender Konjunktur unwahrscheinlich. "Der Bundestag wird sich  in absehbarer Zeit mit einem dritten Griechenland-Paket befassen  werden", sagte Steinbrück voraus.

    CSU-Politiker Friedrich wird für Aussagen in Interview kritisiert

    Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, kritisierte in  seiner Rede die "Konsens-Sauce" von SPD, Grünen und Koalition.

    Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) relativierte  unterdessen seine umstrittenen Äußerungen zu einem Austritt  Griechenlands aus der Eurozone. Das Hilfspaket sei vorläufig die  "beste Alternative", sagte Friedrich. Er zweifle nicht am Kurs der  Kanzlerin in Sachen Euro-Rettung. 

    Der CSU-Politiker hatte in einem Interview Griechenland zum  Austritt aus der Eurozone geraten. Der Vorstoß sorgte in der  Opposition für Empörung, auch Merkel und Bundesaußenminister Guido  Westerwelle (FDP) gingen auf Distanz. In seiner eigenen Partei  erntete Friedrich hingegen Sympathie: Ein Austritt Griechenlands  aus dem Euro-Raum darf kein Tabu mehr sein, sagte  CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der "Bild"-Zeitung. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, Friedrich habe andere  Abweichler in der Koalition ermuntert: "Friedrich macht Merkel die Kanzlermehrheit kaputt. Wenn sie Mumm hätte, würde sie ihn rauswerfen." Friedrich stimmte im Bundestag mit Ja. dpa/afp

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