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Religion: Kirchensteuer: „Das System lässt sich nicht kurzfristig umbauen“

Religion

Kirchensteuer: „Das System lässt sich nicht kurzfristig umbauen“

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    Stephan Haering
    Stephan Haering

    Professor Stephan Haering hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München einen Lehrstuhl für Kirchenrecht inne. 1978 trat er in den Benediktinerorden im niederbayerischen Metten ein. Er ist unter anderem Berater der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz. Die Augsburger Allgemeine führte mit ihm ein Gespräch über das Verhältnis von Kirche und Staat.

    Pater Stephan, hat die katholische Kirche in Deutschland heute wieder eine Säkularisierung nötig?

    Haering: Die Säkularisation am Beginn des 19. Jahrhunderts war ein gewaltsamer Einschnitt ins kirchliche Leben. Es sind blühende Klöster dadurch an ihr Ende gekommen. Eine direkte historische Parallele zu heute lässt sich sicher nicht ziehen.

    Wie erklären Sie sich, dass der Papst rät, eine Säkularisierung zu erwägen?

    Haering: Ich glaube, das ist keine Sache, die der Kirche aufgegeben ist. Es waren damals ja gewaltsame Eingriffe von außen. Was Papst Benedikt sagen wollte, ist, meinem Eindruck nach, dass die Kirche sich ihres Wesens bewusst sein muss und in einer starken Einbindung der Kirche in weltliche Strukturen auch eine Gefährdung für sie liegen kann.

    Die deutsche Kirche gilt als eine reiche Kirche. Könnte sie auf die Kirchensteuer verzichten?

    Haering: Von heute auf morgen geht das sicherlich nicht. Die Etats der Diözesen werden heute größtenteils von der Kirchensteuer bestritten. So ein System umzubauen und auf den größten Teil der Einnahmen zu verzichten, das lässt sich nicht kurzfristig verwirklichen.

    Wie sehr ist die Kirche der „Welt“ verpflichtet?

    Haering: Ohne Frage ist eine Verwobenheit der Kirche mit staatlichen Strukturen gegeben.

    Auf welchen Feldern?

    Haering: Denken Sie an den Religionsunterricht, der bei uns als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen eingerichtet ist. Das ist nicht nur ein Ort der Bildung über religiöse Themen, sondern auch ein Ort der Verkündigung.

    Genießt die katholische Kirche ungerechtfertigte Privilegien?

    Haering: Bei unserem staatskirchenrechtlichen System werden alle Religions- und weltanschaulichen Gemeinschaften gleich behandelt. Alle haben das Recht, sich nach dem Staatskirchenrecht zu organisieren, aber sie sind nicht verpflichtet dazu. Es besteht kein staatlicher Zugriff auf die Religionsgemeinschaften.

    Immer wieder richtet sich Kritik dagegen, dass die Bischöfe vom Staat entlohnt werden. Zu Recht?

    Haering: Das hängt mit den Säkularisationsverlusten zusammen. Dadurch sind die Bistümer ihrer Einkommensquellen beraubt worden und der Staat hat dafür einen Ersatz geschaffen, indem er Mittel für die Diözesanverwaltungen und auch für die Besoldung der leitenden Geistlichen zur Verfügung gestellt hat. Die katholische Kirche wird hier nicht anders behandelt, als es bei der evangelischen der Fall ist.

    Muss der Staat denn nach 200 Jahren immer noch Ausgleich leisten?

    Haering: Es wäre wünschenswerter, wenn diese Staatsleistungen an die Kirchen abgelöst werden. Das ist schon in der Weimarer Verfassung thematisiert worden. Aber bis heute sind die Grundsätze für so eine Ablösung nicht festgelegt worden.

    Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche stehen in Bayern in besonderen Vertragsverhältnissen.

    Haering: Ja, es gibt das Konkordat von 1924 und parallel dazu die evangelischen Kirchenverträge. Ich denke schon, dass die Regelung der wechselseitigen Verhältnisse auf vertraglicher Basis ein gutes Instrument ist, um die wechselseitigen Rechte und Verpflichtungen von Staat und Kirche zu bestimmen.

    Begibt sich die Kirche dadurch nicht zu sehr in Abhängigkeit vom Staat?

    Haering: Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Etwa bei der Ämterbesetzung gibt es keinen entscheidenden Einfluss des Staates, die Kirche hat volle Freiheit.

    Wäre denn mit einer strikten Trennung von Kirche und Staat etwas gewonnen?

    Haering: Ich glaube nicht. Mit dem System der Kooperation bei strenger Wahrung der Unabhängigkeit beider Seiten ist ein Modus erzielt, der für beide Seiten genügend erreicht. Dieses Interview führte Alois Knoller

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