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Reindustrialisierung der USA: Die Krauts werden zum Vorbild des Vorbilds

Reindustrialisierung der USA

Die Krauts werden zum Vorbild des Vorbilds

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    Obama in einem Siemenswerk in den USA: Lob für deutsche Industrie.
    Obama in einem Siemenswerk in den USA: Lob für deutsche Industrie. Foto: dpa

    Spätestens als Gerhard Schröder den gemeinsamen Waffengang mit dem großen Bruder gegen den Irak im Jahr 2003 verweigert hatte, galt Deutschland in den USA des George W. Bush als ein Land ohne Saft und Kraft, Ideen und Mut. Doch ausgerechnet Germany soll nun zum Vorbild des Vorbilds kapitalistischen Wirtschaftens werden.

    Obama besucht deutsche Werke

    Zufall ausgeschlossen: Zweimal innerhalb von zwei Jahren schaut der amerikanische Präsident in Werken deutscher Konzerne auf US-Boden vorbei. Zuerst in Siemens' Windanlagen-Werk in Fort Madison, danach in Daimlers Lkw-Werk in Mount Holly. Die deutschen Unternehmen geben dort Hunderten Menschen Arbeit, während viele US-Konzerne ihre Produktion nach China oder Mexiko verlagert haben.

    "Jeder hier empfindet so viel Stolz bei seiner Arbeit", erklärte ein sichtlich beeindruckter Barack Obama, als er am Mittwoch dieser nach einer Tour durch die Montagehallen vor die Daimler-Belegschaft tritt. Die Ärmel seines weißen Hemdes sind hochgekrempelt. Das Sakko hat er ausgezogen, nur die blaue Krawatte mag er nicht ablegen. Obama gibt sich volksnah. Er sagt, dass die Zukunft der Vereinigten Staaten "auf amerikanischen Arbeitern wie hier bei

    Vorbild: Mercedes, VW oder schlicht "Made in Germany"

    Obama sagt solche Sätze gerne. Und er sagt sie besonders gerne in Fabrikhallen. Denn das ist es, was Obama umtreibt: Er will die Industrie zurück in ein Land holen, in dem die Dienstleistungen der alles bestimmende Faktor geworden sind. Und die deutschen Konzerne gehen mit gutem Beispiel voran: Nicht weit von Daimlers Lkw-Werk baut BMW seine Geländewagen, auch Mercedes-Benz und Volkswagen stellen in den angrenzenden Bundesstaaten ihre Autos her.

    "Die deutschen Unternehmen haben zahlreiche Arbeitsplätze in den USA geschaffen, gerade in der Industrie", sagt Thomas Zielke, der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Washington. Deutsche Firmen beschäftigen nach seinen Zahlen 567.000 Amerikaner. Nur japanische und britische Unternehmen haben noch mehr Menschen in Lohn und Brot. Gerade bei den Briten sind es aber oft Arbeitsplätze in der Finanzbranche, die Deutschen stehen wie die Japaner für bodenständige Industriejobs.

    Nichts weniger als die Umkehrung eines 70 Jahre währenden Zustandes

    Sollten sich die Anzeichen verstärken, dass sich die USA wieder verstärkt industrialisieren wollen und Deutschland dabei als Vorbild sehen, wäre dies nichts geringeres, als ein Wandel in einer 70 Jahre währenden Kontinuität. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg warfen sich die Deutschen liebend gern an die starke Schulter des mächtigen Großen Bruders aus den USA. Marshallplan und Care-Pakete bildeten den Anfang, Elvis eroberte die Deutschen im Sturm und die liberale Wirtschaftspolitik galt immer stärker als Vorbild, im historisch anders geprägten Wirtschafts-

    Das ging 70 Jahre so und ist nicht beendet. Vielleicht aber setzt jetzt eine Trendwende ein, steht Deutschland doch trotz Eurokrise wirtschaftlich hervorragend da. Man spricht im anglosächsisch-amerikanischen Raum immer öfter über das wunderbare Job-Wunder "Made in Germany".

    Von 2000 bis 2010 fielen sechs Millionen Stellen in der Produktion weg

    Und genau diese Jobs sind in den USA Mangelware: Von 2000 bis 2010 sind in den Vereinigten Staaten nach Angaben des US-Arbeitsministeriums annähernd sechs Millionen Stellen im produzierenden Gewerbe weggefallen, mit der Baubranche sogar sieben Millionen. Nicht einmal mehr jeder zehnte amerikanische Arbeitnehmer schafft noch in einer Fabrik. Dafür arbeiten immer mehr Menschen in Restaurants, Hotels und anderen Serviceberufen.

    Doch in der Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, wie unsicher diese Jobs sind. Die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich von Anfang 2008 bis Anfang 2010 auf 9,7 Prozent. Mittlerweile ist die Quote zwar wieder gefallen, doch liegt sie historisch gesehen immer noch auf einem hohen Niveau.

    Die USA hofft auf neue Arbeitsplätze in der Industrie

    Nur neue Arbeitsplätze in der Industrie können das Dilemma beseitigen, ist Obama überzeugt - und tourt durch die Fabriken im Land. Er war bei General Motors, bei Boeing und eben auch bei Siemens und Daimler. "Wir haben den Eindruck, dass die Amerikaner nicht mehr nur auf Asien fixiert sind, sondern auch wieder nach Europa schauen", sagt Wirtschaftsvertreter Zielke. "Sie schauen dabei besonders auf die deutsche Industrie."

    Denn während die Industrieproduktion in Deutschland beständig gewachsen ist (mit einer Delle in der Wirtschaftskrise 2009), liegt sie in den USA heute nur knapp über dem Niveau von 2005. Das zeigen Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

    Überm Teich tut sich was

    Doch in den USA tut sich was. So haben etwa die Autokonzerne tausende in der Wirtschaftskrise entlassene Mitarbeiter wieder eingestellt. Obamas Mahnung aus dem vergangenen Jahr scheint Gehör gefunden zu haben: "Wenn wir eine robuste und wachsende Wirtschaft haben wollen, brauchen wir eine robuste Industrie." Ganz wie in Deutschland. stni/dpa

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