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Regierungserklärung: Merkel: Bei EU-Flüchtlingspolitik noch viel im Argen

Regierungserklärung

Merkel: Bei EU-Flüchtlingspolitik noch viel im Argen

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    Angela Merkel gibt eine Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel ab.
    Angela Merkel gibt eine Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel ab. Foto:  Michael Kappeler (dpa)

    Im Streit zwischen Berlin und Ankara hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut in scharfer Form gegen türkische NS-Vergleiche verwahrt, zugleich aber vor einer weiteren Entfremdung zwischen beiden Ländern gewarnt. "Diese Vergleiche der Bundesrepublik Deutschland mit dem Nationalsozialismus müssen aufhören", sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag an die Adresse der türkischen Regierung. 

    Sie nannte die unter anderem vom türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan gezogenen Vergleiche "traurig und deprimierend" und "so deplatziert, dass man es nicht ernsthaft kommentieren kann". Zugleich betonte Merkel die "engen Verflechtungen und Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei" in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie in der Nato.  

    Die deutsche Kanzlerin und der türkische Staatspräsident Erdogan in Istanbul im Mai 2016.
    Die deutsche Kanzlerin und der türkische Staatspräsident Erdogan in Istanbul im Mai 2016. Foto: Michael Kappeler (dpa)

    "Unser Außen-, Sicherheits- und geopolitisches Interesse kann es nicht sein, dass die Türkei - immerhin ein Nato-Partner - sich noch weiter von uns entfernt", sagte Merkel. "Es lohnt sich also, von unserer Seite sich nach Kräften für die deutsch-türkischen Beziehungen einzusetzen." Merkel betonte aber, dies müsse "auf Basis unserer Werte, unserer Vorstellungen und in aller Klarheit" geschehen.  

    Erdogan hatte Deutschland nach der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister Nazi-Methoden vorgeworfen. Sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu griff den Vergleich auf, nachdem am Montag sein Redeauftritt in Hamburg zunächst abgesagt worden war.  

    Merkel sprach sich grundsätzlich dafür aus, solche Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland zuzulassen. Die Bundesregierung halte diese für möglich, sofern sie rechtzeitig und ordnungsgemäß und "mit offenem Visier" angekündigt und dann auch genehmigt würden. Die Kanzlerin erwähnte aber auch die Kritik des Europarats am geplanten Präsidialsystem in der Türkei, über das Erdogan abstimmen lassen will. Bei den umstrittenen türkischen Auftritte in Deutschland wird für ein Ja bei dem Referendum geworben.

    Was Präsident Erdogan schon über Deutschland gesagt hat

    „Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ (Am 10. Februar 2008 vor 16 000 überwiegend türkischen Zuhörern in Köln)

    „Wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte.“ (Am 1. November 2011 in einem Interview der „Bild“-Zeitung)

    „Die Entscheidung, die das deutsche Parlament soeben getroffen hat, ist eine Entscheidung, die die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei ernsthaft beeinflussen wird.“ (Am 2. Juni 2016 in Nairobi nach der Resolution des Bundestages, das Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkrieges durch das Osmanische Reich als Völkermord zu verurteilen)

    „Ihr habt das bei der Wiedervereinigung in noch größerem Ausmaß betrieben.“ (Am 10. August 2016 in Ankara nach Kritik aus Deutschland an den Entlassungen zehntausender Staatsbediensteter nach dem Putschversuch im Juli)

    „Ich glaube nicht an die deutsche Justiz und habe auch keinen Respekt vor der deutschen Justiz in diesem Zusammenhang.“ (Am 13. August 2016 in einem RTL-Interview über das vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Verbot einer Live-Schalte von Erdogan nach Köln im Juli)

    „Im Moment ist Deutschland eines der wichtigsten Länder geworden, in denen Terroristen Unterschlupf finden.“ (Am 3. November 2016 in Ankara nach deutscher Kritik an neuerlichen Festnahmen von Journalisten in der Türkei)

    „Ich dachte, dass der Nationalsozialismus in Deutschland beendet ist. Dabei dauert er immer noch an.“ (Am 5. März 2017 in Istanbul nach Absagen geplanter Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland) (dpa)

    Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ist zum Auftakt der Debatte im Bundestag hart mit der Türkei ins Gericht gegangen. Wer Deutschland öffentlich verdächtige, Nazi-Methoden anzuwenden, "disqualifiziert sich selbst", sagte Lammert in einer kurzen Ansprache noch vor der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum EU-Gipfel.

    Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein ständiger Mahner (Archivbild).
    Bundestagspräsident Norbert Lammert, ein ständiger Mahner (Archivbild). Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

    In diesen "turbulenten und gelegentlich hysterischen Zeiten" könne sich jeder selbst ein Bild machen, wo Presse- und Meinungsfreiheit gewährleistet seien, fügte er mit Blick auf die Lage in der Türkei hinzu. Forderungen, die umstrittenen Werbeauftritte türkischer Regierungspolitiker für die in ihrem Land geplante Verfassungsänderung in Deutschland grundsätzlich zu untersagen, lehnte Lammert aber ab. Weil in Deutschland Presse- und Meinungsfreiheit "nicht zur Disposition stehen, bitten wir die Menschen in Deutschland um Verständnis, dass wir sie auch anderen nicht verweigern", sagte der CDU-Politiker.

    Umgekehrt erwarte Deutschland aber von jeder ausländischen Regierung, dass die in Deutschland in Anspruch genommen Rechte "zu Hause in gleicher Weise respektiert werden". Deutliche Kritik übte Lammert an den türkischen Plänen zur Einführung eines Präsidialsystems mit starken Machtbefugnissen für den Staatschef. Wenn das Vorhaben umgesetzt werde, führe dies zu einem "zunehmend autokratischen Staat, der sich immer weiter von Europa und seinen Überzeugungen demokratischer Standards entfernt".

    Türkische Politiker hatten sich wegen der Absage geplanter Wahlkampfveranstaltungen zu Gunsten des Präsidialsystems verärgert gezeigt. Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Deutschland deswegen Nazi-Methoden vor. Deutschland wiederum wendet sich gegen die Inhaftierung von Journalisten wie dem Deutschtürken Deniz Yücel.

    AZ/AFP

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