Die Regierungsbank ist noch leer. Und auch im weiten Rund des Plenarsaals haben sich erst einige wenige Abgeordnete eingefunden. Nur einer ist bereits da – Horst Seehofer. Der CSU-Chef und neue Minister für Inneres, Bauen und Heimat erscheint bereits am Freitagmorgen im Parlamentssaal nimmt als Erster – und lange auch als Einziger – auf der Regierungsbank Platz. Die frühe Anwesenheit ist ein klare Botschaft. Damit signalisiert der bisherige bayerische Ministerpräsident, dass er sich vom ersten Tag im Amt an um seine Aufgaben kümmern will.
Bis Horst Seehofer aber ans Rednerpult treten und in seiner Antrittsrede die Grundzüge und Schwerpunkte seiner Politik vorstellen kann, muss er sich noch gedulden. Erst einmal ruft Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) einen Geschäftsordnungsantrag der AfD auf, der einen heftigen Schlagabtausch zwischen der AfD und dem Rest des Parlaments zur Folge hat – mit lauten Zwischenrufen und heftigen gegenseitigen Vorwürfen. Mehrmals muss der Parlamentspräsident um Ruhe bitten.
Um 9.14 Uhr ist es so weit – Schäuble erteilt Seehofer das Wort. Und dieser lässt in seiner knapp 15-minütigen Rede nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen, wie ernst er seine Aufgabe nimmt, wie wichtig für ihn das neue Amt des Innenministers ist und wie entschlossen er ist, rasch und konsequent zu handeln. Freundlich im Ton, aber hart in der Sache verspricht er „Tatkraft und Beharrlichkeit“, Ziel seiner Politik sei es, der gesellschaftlichen Polarisierung entgegenzuwirken, die Menschen zusammenzuführen und eine Politik „für die Menschen in unserem Land“ zu machen. Denn Spaltung und Polarisierung seien „ideologische Teilchenbeschleuniger“.
Seehofer will von Anfang an Tempo machen
Von einer 100-Tage-Schonfrist will der CSU-Chef, der bereits Gesundheitsminister unter Helmut Kohl und Landwirtschaftsminister unter Angela Merkel war, nichts wissen, im Gegenteil. „Ein Weiter so möchte ich nicht, wir müssen neue Wege gehen und vor allem Tempo machen.“ Seine ersten Gesetzentwürfe wolle er schon in den kommenden Wochen einbringen, damit sie noch vor der Sommerpause vom Kabinett beschlossen werden können. „Beherztes Handeln ist das Gebot der Stunde.“ Drei Schwerpunkte benennt er: flächendeckende Sicherheit, Begrenzung und Steuerung der Migration sowie die Schaffung des sozialen Friedens. Sicherheit sei „ein Menschenrecht“, sagt Seehofer und kündigt „null Toleranz“ gegen jede Art von Kriminalität und Gewalt an, auch gegen Hassparolen sowie Gewalt gegen Andersdenkende und Andersgläubige. Ein starker Staat dulde keine rechtsfreien Räume, gleichzeitig bleibe Deutschland aber ein offener und liberaler Staat nach dem Motto „Leben und leben lassen“.
Die Schaffung des Heimatministeriums habe „nichts mit Folklore, Volkstümlichkeit oder Nostalgie“ zu tun, sondern mit gesellschaftlichem Zusammenhalt, gleichwertigen Lebensverhältnissen im ganzen Land und Halt für die Menschen. Und dann wird Seehofer richtig kämpferisch. „Das Gebot der Stunde heißt Ärmel hochkrempeln und anpacken.“ Wenn man Politik mit dem Herzen mache, gelinge sie auch. „Die Koalition wird liefern.“
Die AfD spricht von „Etikettenschwindel“
Da haben die vier Oppositionsparteien allerdings gewaltigen Zweifel. AfD, FDP, Linke und Grüne üben massive Kritik an seinen Plänen und halten ihm dabei auch seine früheren Äußerungen vor. „Sie beklagen die Herrschaft des Unrechts und machen nun gemeinsame Sache mit ihr“, sagt Gottfried Curio von der AfD. Von einer Obergrenze bei der Zuwanderung könne keine Rede sein, das sei „alles Etikettenschwindel“ mit fatalen Folgen: „Wir produzieren sehenden Auges tickende Zeitbomben.“
Im Gegenzug dazu übt FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann heftige Kritik an dem geplanten Einwanderungsgesetz. Es reiche nicht aus, damit die besten Köpfe nach Deutschland kommen. Seehofers pauschale Ausgrenzung des Islam sei zudem die „beste Propaganda“, die sich die Terrormilizen des IS wünschen könnten. „Der liberale Verfassungsstaat schafft Heimat, weil er allen eine Heimat bietet, egal, an welchen Gott sie glauben.“
Die Innenexperten der Grünen und der Linken, Konstantin von Notz und André Hahn, warnen vor einer weiteren Einschränkung der Freiheitsrechte. Auch sie werfen ihm seine Äußerungen zum Islam vor. „Die Stärke unseres Landes ist unsere Pluralität. Wenn ein Innenminister das infrage stellt, schwächt das unser Land“, so von Notz.
Horst Seehofer nimmt die Kritik ohne Regung zur Kenntnis, registriert aber mit Wohlwollen, dass sich Union und SPD demonstrativ hinter ihn stellen und ihm ihre Unterstützung in Aussicht stellen. Auch wenn die SPD-Innenexpertin Eva Högl anmerkt, man habe bereits genug Gesetze, man müsse nur dafür sorgen, dass sie auch angewendet werden.
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