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Regierungsbildung: Ampel-Gespräche: Sie schlagen sich, sie vertragen sich

Regierungsbildung

Ampel-Gespräche: Sie schlagen sich, sie vertragen sich

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    Rot-gelb-grün - eine Ampel leuchtet vor der Kuppel des Reichstagsgebäudes (in einer Langzeitbelichtung) in allen drei Phasen.
    Rot-gelb-grün - eine Ampel leuchtet vor der Kuppel des Reichstagsgebäudes (in einer Langzeitbelichtung) in allen drei Phasen. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Wie sehr knirscht es zwischen SPD, Grünen und FDP, wie hoch sind die Hürden, die die „Ampel-Parteien“ vor der Bildung einer gemeinsamen Regierung noch überwinden müssen? Wer in den vergangenen Tagen verfolgte, wie groß schon die Unstimmigkeiten über einen gemeinsamen Kurs in der Corona-Pandemie waren, konnte leicht den Eindruck gewinnen, dass die Harmonie zwischen den Koalitionären in spe empfindlich gestört wäre. Da meldete Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt vorschnell eine Einigung über eine mögliche Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, dabei bremste die FDP noch. Auch für eine Wiedereinführung der Homeoffice-Pflicht wurde zunächst keine gemeinsame Linie gefunden. Liberalen-Chef Christian Lindner sorgte zudem bei seinen Ampel-Partnern für Kopfschütteln, als er in den Tagesthemen vermeintlich die Wirksamkeit von Kontaktbeschränkungen anzweifelte. Später präzisierte er, seine Zweifel bezögen sich nur etwa auf die Verhältnismäßigkeit von Ausgangssperren für Geimpfte.

    Lars Klingbeil (SPD, v.r.), Michael Kellner (Grüne) und Volker Wissing (FDP) bei einem Pressestatement vor der Landesvertretung Rheinland-Pfalz. Hier setzen die Ampelparteien ihre Koalitionsverhandlungen fort.
    Lars Klingbeil (SPD, v.r.), Michael Kellner (Grüne) und Volker Wissing (FDP) bei einem Pressestatement vor der Landesvertretung Rheinland-Pfalz. Hier setzen die Ampelparteien ihre Koalitionsverhandlungen fort. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Jetzt geht es in den Koalitionverhandlungen der Ampel ums Ganze

    Was dagegen noch weitgehend hält, ist der Schwur, über Fortgang und Inhalt der Koalitionsverhandlungen Stillschweigen zu bewahren. Am Mittwochmorgen gingen die Gespräche in Berlin weiter. Zuvor sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock: „Da gibt es einiges zu tun.“ Kein Geheimnis ist, dass es schon in der in der Vorwoche zu Ende gegangenen Arbeitsgruppenphase mitunter heiß hergegangen ist. Nun nehmen sich die 21 „Hauptverhandler“ um die drei Generalsekretäre nacheinander die Ergebnisse der 22 Fachgruppen vor. Auf den Papieren haben die Spezialisten in den Farben ihrer jeweiligen Partei – rot, grün und gelb – angestrichen, wo es aus ihrer Sicht noch hakt.

    Gerade der Grün-Anteil sei auf vielen Seiten noch hoch, heißt es. In den Reihen der Grünen war zuletzt ein immer deutlicheres Murren über den Fortgang der Gespräche zu hören. Erfahrene Parteifunktionäre räumen ein, dass ihr Problem die gewaltige Erwartungshaltung der eigenen Basis sei. Im Wahlkampf wurden riesige Erwartungen beim Klimaschutz geschürt. Doch die Hoffnung, mit Annalena Baerbock selbst eine Kanzlerin zu stellen, die ihre Regierung ganz der Rettung des Weltklimas widmet, haben sich nicht erfüllt. In den Verhandlungen mit einer SPD, der am Erhalt möglichst vieler Industriearbeitsplätze gelegen ist, und einer wirtschaftsfreundlichen FDP zeigt sich nun, dass eine Koalition kein Wunschkonzert ist. So packte Co-Parteichef Robert Habeck kürzlich die ganz große Keule aus. Er drohte mit einem Scheitern der Verhandlungen, falls sich die Parteien nicht auf Maßnahmen zur Einhaltung des in den Sondierungsgesprächen vereinbarten 1,5 Grad-Ziels einigen könnten.

    Die Grünen wollen das Tempolimit - die Ampel-Parteien scheinen sich jedoch nicht darauf einigen zu können.
    Die Grünen wollen das Tempolimit - die Ampel-Parteien scheinen sich jedoch nicht darauf einigen zu können. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

    Scheitert die Ampel-Koalition am Klimaschutz?

    Die Gefahr, dass die Ampel am Klimaschutz scheitert, sei in den vergangenen Tagen jedoch kleiner geworden, heißt es unter dem Siegel der Verschwiegenheit aus den Reihen der Grünen. Denn SPD und FDP würden sich ja grundsätzlich ebenfalls zum Ziel, den Temperaturanstieg auf der Welt zu bremsen, bekennen. Sozis und Liberale wüssten auch durchaus um die Nöte ihrer grünen Gesprächspartner, der fordernden Anhängerschaft eine beeindruckende Klima-Trophäe zu präsentieren. Die könnte, so heißt es, ein eigenes, neu zugeschnittenes Klima-Superministerium sein. Es würde die Aufgaben des bisherigen Umweltministerium umfassen und zudem für den Bereich Energie verantwortlich zeichnen, der bisher beim Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Denkbar sei außerdem, dass einem solchen Ressort künftig auch der Baubereich (bisher beim Innenministerium) zugeschlagen wird. Führen könnte es Habeck, heißt es. Auf der Grünen-Ministerien-Wunschliste steht demnach außerdem das Außenministerium, für das Baerbock in den Startlöchern stehe.

    Streit um Finanzministerium: Hat sich Lindner durchgesetzt?

    Dagegen verdichten sich die Hinweise, dass die Ökopartei nun nicht mehr auf dem mächtigen Bundesfinanzministerium besteht. Weil der Klimaschutz in den kommenden Jahren viele Milliarden Euro kosten wird, hatten die Grünen zunächst auf die Kontrolle über die Staatskasse gepocht. Doch genau auf der besteht auch FDP-Chef Christian Lindner. Ähnlich wie die Grünen beim Klimaschutz hatte Lindner im Wahlkampf in dieser Hinsicht große Erwartungen geweckt. Müsste er verzichten, wäre das ein massiver Gesichtsverlust. Dass die FDP deswegen den Klimaschutz behindert oder die Verhandlungen gar scheitern lässt, wollen die Grünen offenbar nicht riskieren. Bei den Jamaika-Gesprächen mit der Union vor vier Jahren hatte Lindner ja schon einmal ihre Regierungsträume platzen lassen. Danach sieht es aber in diesen Tagen nicht aus. Lindner scheint seine Trophäe Finanzministerium zu bekommen, die Grünen wohl ihre „Extraportion“ Klimaschutz.

    SPD will vor allem eines: dass Scholz Kanzler wird

    Aus Sicht der SPD sind die großen Punkte ohnehin schon seit den Sondierungen klar: Ihre Forderungen nach einem Mindestlohn von zwölf Euro und einer Reform des Hartz-IV-Systems werden erfüllt. Vieles andere, etwa den Verzicht auf Steuererhöhungen, auf dem die FDP besteht, sieht die SPD offenbar eher gelassen. Denn über allem steht das Ziel, die größte aller Trophäen mit nach Hause zu nehmen: dass Olaf Scholz nach dem Nikolaustag (6. Dezember) zum neuen Bundeskanzler gewählt wird.

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