Neulich, beim SPD-Parteitag. Die Vorstandswahlen schleppen sich gerade in ihre letzte Runde, als der Abgeordnete Karl-Heinz Brunner am Rande des Plenums über die etwas andere Große Koalition zu spekulieren beginnt. "Warum legen wir uns eigentlich immer bis ins letzte Detail fest", fragt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Würde es nicht genügen, sich auf einige wenige Themen zu konzentrieren, die Union und SPD wichtig sind, diese dann in einer Koalition gemeinsam anzugehen – und sich für alles andere wechselnde Mehrheiten im Parlament suchen? "Den Bundestag", sagt Brunner, "würde das auf jeden Fall stärken."
Was zunächst nur wie das Gedankenspiel eines mittelprächtig bekannten Abgeordneten aus Illertissen klingt, hat das politische Berlin inzwischen zur "Kooperationskoalition" hochgejazzt – oder, ganz kurz: KoKo. Bei der Sitzung der Bundestagsfraktion am Montagabend deutete Parteichef Martin Schulz eine solche Variante jedenfalls als eines von mehreren Modellen an, über die er von Mittwoch an mit den Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, reden will.
Die KoKo - regieren mit dem flexiblen Modell?
Was in einer solchen KoKo fix vereinbart werden soll und was lieber offen bleibt, verriet Schulz der Fraktion zwar noch nicht. Sein Parteifreund Brunner allerdings hat davon schon ziemlich präzise Vorstellungen. Vor allem über den Haushalt, sagt der, müssten Union und SPD sich verständigen – und natürlich in den Fragen der inneren und der äußeren Sicherheit. "Hier darf man nicht lange herum debattieren, hier muss man entscheiden."
Karl-Heinz Brunner zählt sich in der SPD zu den so genannten Seeheimern, dem konservativen Flügel der Partei – das Copyright für die KoKo allerdings beansprucht bisher die Parteilinke für sich. Mit einer solchen Herangehensweise, betont ihr Wortführer Matthias Miersch, könnte die SPD viel freier agieren, weil nicht mehr auf Hunderten von Seiten penibel aufgeschrieben werde, was bis zum Ende der Legislatur in jedem einzelnen Fachbereich genau zu geschehen habe: "Wir haben dann die Freiheiten, jenseits einer solchen Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen zu stimmen."
Die Union hält nicht viel von der KoKo
Wie das gehen kann, zeigt die Einführung der Ehe für alle aus der zurückliegenden Wahlperiode, bei der die Regierungspartei SPD mit der Opposition gemeinsame Sache gemacht und die C-Parteien vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Auch deshalb hält die Union nicht viel von der KoKo, die für Deutschland ein echtes Novum wäre. "Entweder man will regieren – oder man will es nicht", warnt die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner bereits. Für ein bisschen Absprache und ein bisschen Tolerierung könne die Union der SPD jedenfalls nicht die Hand reichen.
Zu den zehn bis 15 Themen, die eine KoKo anpacken müsste, zählen die Sozialdemokraten neben dem Haushalt und der Inneren Sicherheit auch die Außen- und Verteidigungspolitikpolitik, eine engere Zusammenarbeit in Europa und eine Steuerreform, die gezielt die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen entlastet. Anders als bei einer Tolerierung oder einer Minderheitsregierung der Union säßen bei dieser Variante auch sozialdemokratische Minister im Kabinett.
Wer die KoKo tatsächlich erfunden hat, der Abgeordnete Brunner oder einer der SPD-Linken – das ist noch nicht wirklich geklärt. Karl-Heinz Brunner nimmt es gelassen. "Wenn das Ergebnis passt, dann ist es egal, wer es erfunden hat."
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