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Reformpläne: Pharmalobby gibt Richtung vor

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Reformpläne: Pharmalobby gibt Richtung vor

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    Reformpläne: Pharmalobby gibt Richtung vor
    Reformpläne: Pharmalobby gibt Richtung vor Foto: DPA

    Die Opposition warf Schwarz-Gelb deshalb drastische Klientelpolitik vor. Union und FDP wiesen die Kritik vehement zurück.

    Trotz Beitragserhöhung und besserer Konjunktur warnten die Krankenkassen vor einer neuen Finanzlücke, die die Versicherten stopfen müssten. Insgesamt lehnt mehr als jeder Zweite die Reformpläne Röslers ab.

    Ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht vor, dass das Bundesgesundheitsministerium durch Rechtsverordnung das Nähere zur Nutzenbewertung neuer Medikamente regelt. Dies hatte der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) fast wortgleich vorgeschlagen. Im Entwurf für die Neuordnung des Arzneimittelmarkts war noch geplant, dass der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Kassen (G-BA) die wichtigen Details unabhängig von der Politik regelt. Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und die "Frankfurter Rundschau" hatten zuerst über die Änderung berichtet.

    "Rösler stellt nicht den Nutzen für die Patienten in den Vordergrund, sondern den Nutzen für die Pharmaindustrie", sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann der dpa. Der SPD-Experte Karl Lauterbach wertete in der "SZ" die Änderung als "dreisteste Lobbyarbeit". Seine Grünen-Kollegin Birgitt Bender sagte: "Statt vom Desaster der reduzierten Mehrwertsteuer für Hotels zu lernen, treibt die Koalition ihre Klientelpolitik auf die Spitze."

    Der Kassen-Spitzenverband betonte, der G-BA habe den nötigen Sachverstand. Der oberste Arzneimittelkontrolleur Jürgen Windeler forderte in der "Financial Times Deutschland", Patienten dürfe man nicht zumuten, zugunsten von Firmeninteressen unnütze Pillen zu schlucken.

    "Die Vorwürfe sind haltlos", sagte der Sprecher von Minister Philipp Rösler (FDP), Christian Lipicki. "Die Politik entscheidet selbst, was im Sinne der Versicherten zielführend ist." Alle weiteren Regelungen - außer der neuen Zuständigkeit des Ministeriums - habe es bereits im Gesetzentwurf gegeben. Auch vfa-Geschäftsführerin Cornelia Yzer wies zurück, dass die Politik vom vfa abgeschrieben habe.

    Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sagte der dpa, die Arzneibewertung werde rein wissenschaftlich erfolgen. "Alles andere wäre fatal und wird es mit uns nicht geben." Die FDP-Gesundheitsexpertin Ulrike Flach sagte: "Der G-BA wird nicht entmachtet, sondern erhält eine rechtssichere und tragfähige Grundlage für die neu eingeführte schnelle Nutzenbewertung."

    Seit Jahren treiben die von den Firmen frei festgesetzten Preise für neue Medikamente die Ausgaben der Kassen in die Höhe. Viele Mittel sind oft kaum verändert - höhere Preise gelten Experten oft als nicht vertretbar. Die Nutzenbewertung soll Basis für Rabattverhandlungen zwischen Herstellern und Kassen werden.

    Herbe Kritik setzte es auch an der geplanten Finanzreform für die Kassen. Die Kassen warnten vor einer neuen Finanzlücke. "Wer einen steuerfinanzierten Ausgleich erst ab 2015 in Aussicht stellt, riskiert spätestens ab 2013 Zusatzbeiträge auf breiter Front und kann nicht für sich beanspruchen, eine verteilungsgerechte Lösung geschaffen zu haben", sagte die Sprecherin des Kassen-Spitzenverbands, Ann Marini.

    AOK-Chef Herbert Reichelt begrüßte die Anhebung des Beitragssatzes von 14,9 auf 15,5 Prozent 2011 als zwingend nötige Stabilisierung. Doch ab 2014 gebe es zu wenig Bundeszuschüsse, meint auch er. So müsse der Sozialausgleich für Zusatzbeiträge dann wohl über noch höhere Extrabeiträge finanziert werden - statt wie geplant über Steuermittel. Der Ministeriumssprecher entgegnete: "Die Finanzierung des Sozialausgleichs aus Steuermitteln ist sichergestellt."

    Nach einer Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK unter 3000 Versicherte finden 51,7 Prozent die Reformpläne der Regierung schlecht. Der Paritätische Gesamtverband, der Gewerkschaftsbund, der Beamtenbund und die Arbeitgeber lehnten bei einer internen Anhörung die Pläne als unsozial, nicht nachhaltig oder schädlich für die Arbeitsplätze ab.

    Arzneimittel-Gesetzentwurf

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