Würde man Papst Franziskus ein Zwischenzeugnis ausstellen sollen, müsste man schreiben: Er hat sich bemüht.
Er bemühte sich darum, der katholischen Kirche einen Weg in die Zukunft zu ebnen, musste aber immer wieder erfahren, wie mächtig die Vergangenheit ist. Ein ums andere Mal holt die Vergangenheit die Kirche ein.
Beispiel Jugendsynode, die vor kurzem in Rom zu Ende ging. Dreieinhalb Wochen waren Bischöfe, Jugendliche und Experten aus aller Welt im Vatikan zusammengekommen, um über ein Herzensanliegen des Papstes zu sprechen – die Jugendlichen. Von ihnen verspricht er sich eine Erneuerung der Kirche und den Aufbau einer besseren Welt. Doch noch bevor die Synode Anfang Oktober begann, hatte sich schon ein gewaltiger Schatten über sie gelegt: der nach wie vor nicht bewältigte, anhaltende Missbrauchsskandal.
In Deutschland stellten die Bischöfe eine von ihnen in Auftrag gegebene Studie vor, der zufolge sich 1670 Geistliche an 3677 Kindern und Jugendlichen vergangen haben sollen; der Zölibat, die priesterliche Ehelosigkeit, begünstige Missbrauch. Wenig später bekräftigte der italienische Erzbischof Viganò seine Vorwürfe, Franziskus sei ein Vertuscher.
Während der Synode sorgte der Papst dann für Aufregung, weil er Abtreibungen mit Auftragsmorden verglich. Und in Deutschland wurde bekannt, dass der Vatikan dem Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig eine weitere Amtszeit als Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen verwehrt – weil Wucherpfennig sich im Jahr 2016 in einem Interview kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und zum Zölibat geäußert hatte.
Die katholische Kirche tritt auf der Stelle
Stellt man sich den Papst als einen Wanderer vor, so hat dieser nicht nur schweres Gepäck zu schultern. Beständig wird an seinen Beinen gezerrt, mal kommt er voran, mal bleibt er stehen, mal läuft er zurück. Bisweilen stellt er sich selbst ein Bein. So sind allenfalls kleine Fortschritte möglich – nicht jedoch ein Aufbruch. Im Ergebnis tritt die katholische Kirche auf der Stelle.
Franziskus wird nicht müde, große Gesten zu zeigen und große Worte zu sprechen. Das genau ist das Problem dieses Papstes, zumindest aus der Perspektive ungezählter deutscher Katholiken wie Nicht-Katholiken: Den großen Worten folgen große Erwartungen, nicht allerdings große Taten.
Dabei mahnt längst nicht mehr bloß die Reformbewegung „Wir sind Kirche“, die sich in diesen Tagen in Nürnberg zu ihrer 42. Bundesversammlung und Herbsttagung trifft, Taten an. Der Ruf nach Veränderung kommt von Bischöfen inzwischen in einer Deutlichkeit, wie sie vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wäre – inklusive der Forderung nach einer Abschaffung des Pflicht-Zölibats. Der Ruf nach Veränderung kommt von innen heraus: Im 60-seitigen Schlussdokument der Jugendsynode, das der Beratung des Papstes dient, wird die Beteiligung von Frauen in der Leitung der Kirche gefordert; zudem eine Stärkung der Laien. Es gelte, „in Richtung einer partizipativen und mitverantwortlichen Kirche voranzuschreiten“. Ach ja: Über Sexualität müsse offen gesprochen werden. Das Fazit: Die Kirche brauche eine Reform.
Der Ruf nach Veränderung ist stark - Franziskus muss jetzt handeln
Man muss Papst Franziskus zugutehalten, dass er von Beginn seines Pontifikats im März 2013 an auf die richtigen Themen gesetzt hat – es sind jene, die auch ins Schluss- dokument der Jugendsynode Eingang fanden. Bislang hat er die Kirche eher im Kleinen reformiert, hat sie ein Stück weit geöffnet. Groß wäre es, wenn er den Zölibat freistellen oder das Frauendiakonat einführen würde. Unmöglich wäre das nicht für ihn.
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