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Rechtsextremismus: Abschalten – aber wie?

Rechtsextremismus

Abschalten – aber wie?

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    Die zweifelhafte Rolle der V-Leute hat 2003 ein NPD-Verbot verhindert. Nun soll der Verfassungsschutz seine Kontakte in die Szene kappen.
    Die zweifelhafte Rolle der V-Leute hat 2003 ein NPD-Verbot verhindert. Nun soll der Verfassungsschutz seine Kontakte in die Szene kappen. Foto: dpa

    Der erste Versuch endete mit einer Blamage. Das Bundesverfassungsgericht lehnte es 2003 ab, sich mit einem NPD-Verbot überhaupt zu beschäftigen. Nun erwägen die Innenminister von Bund und Ländern ein zweites Verfahren. Nach Meinung von Experten ist die Gefahr für ein neuerliches Scheitern heute jedoch kaum geringer als damals. Vor knapp zehn Jahren bemängelten die Verfassungsrichter die unklare Rolle der V-Leute in der

    Abschalten bedeutet mehr, als auf einen Knopf zu drücken

    Abschalten“ bedeutet zunächst, dass der Verfassungsschutz die Dienste der V-Leute nicht länger in Anspruch nimmt. Der Kontakt wird abgebrochen, der Spitzel liefert keine Informationen aus dem Innenleben der Partei mehr und bekommt im Umkehrschluss auch kein Geld mehr. Das Ende der Zusammenarbeit wird mit einer schriftlichen Erklärung beendet. Und genau da beginnen die Probleme.

    In einem Verbotsverfahren werde das Bundesverfassungsgericht vermutlich einen Nachweis dafür fordern, dass die V-Leute nicht mehr für den Staat tätig sind, sagt Christian Pestalozza, Professor für Staatsrecht an der Freien Universität Berlin, unserer Zeitung. Dann müssten womöglich auch die Klarnamen der V-Leute genannt werden – für Verfassungsschützer ein absolutes Fiasko.

    Identität der V-Leute soll geschützt werden

    Die Identität seiner Zuträger zu schützen, ist dem Verfassungsschutz besonders wichtig. Man habe eine gewisse Verantwortung für die V-Leute, schließlich bedeute die Enttarnung für einen Informanten ein erhebliches Risiko für Leib und Leben, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Szene reagiere auf Verräter oft hochaggressiv.

    Das Abschalten erfolgt deshalb auch nicht von heute auf morgen. Das hat auch finanzielle Gründe. Für ihre Dienste werden die V-Leute bezahlt. Die Vergütung sei zwar so bemessen, dass man allein davon nicht leben könne, sagen Insider. Nach dem Ende der Kooperation erhalten die Spitzel trotzdem eine Art Abschaltprämie, die den Übergang in eine Zeit ohne Zuverdienst erleichtern soll.

    Wie viele NPD-Funktionäre arbeiten auch für den Staat?

    Wie viele NPD-Funktionäre auch für den Staat arbeiten, ist unbekannt. Medienberichten zufolge sind es zehn in der Parteispitze und ungefähr 120 weitere an der Basis. Eine amtliche Bestätigung für diese Zahlen gibt es nicht. Fest steht dafür, dass der Verfassungsschutz seine Verbindungen in die Führungsebene der NPD schon am kommenden Montag kappen soll. Das haben die Innenminister vergangene Woche beschlossen. Danach hat der Verfassungsschutz ein halbes Jahr Zeit, neues Material zu sammeln. Im Herbst soll dann erneut ein Verbotsverfahren gegen die NPD eingereicht werden. Experten bezweifeln, dass dieser Zeitplan aufgehen kann.

    Bei einem Verbotsverfahren muss belegt werden, dass eine Partei aktiv verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Zitate aus dem Parteiprogramm, wie extrem oder aggressiv diese auch immer formuliert sein mögen, reichten dafür nicht aus, sagt der Staatsrechtler Pestalozza. Es brauche Belege für das hetzerische und militante Auftreten der NPD, etwa den Nachweis für eine Verbindung der Partei zur Zwickauer Terrorzelle NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Eine Verstrickung in die NSU-Morde hat sich der NPD bislang jedoch nicht nachweisen lassen.

    Belastendes Material ist schwer aufzutreiben

    Durch das erste Verbotsverfahren sei die NPD gewarnt, sagt Pestalozza. „Die geben sich in der Öffentlichkeit nun zahm.“ Experten glauben deshalb, dass es schwierig werden könnte, an belastendes Material zu kommen. Dieses muss frisch und zudem frei von jeglichen V-Mann-Einflüssen sein. Pestalozza hält das Verbotsverfahren ohnehin für Aktionismus. Mit dem Rechtsextremismus müsse man sich eher politisch auseinandersetzen, findet er. Bereiche gäbe es dafür mehr als genug. „Rechts gibt es auch außerhalb einer Partei“, sagt er.

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