Dem Nein der Bundesregierung zu einem eigenen NPD-Verbotsantrag zum Trotz, hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich angekündigt, mehr gegen Rechtsextremismus tun zu wollen. Das liegt auch daran, dass die Zahl rechter Straftaten in Deutschland im Jahr 2012 weiter gestiegen ist. "Unseren ersten vorläufigen Zahlen zufolge zeichnet sich ein Anstieg bei den politisch rechts motivierten Straftaten von circa vier Prozent auf rund 17 600 ab", sagte Friedrich dem "Tagesspiegel am Sonntag".
Hemmschwelle sinkt dramatisch
Der CSU-Politiker warnte vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft in der rechten Szene: "Es gibt bei Neonazis ein Gewaltpotenzial, das wir nicht kleinreden dürfen. Mich beunruhigt, dass die Hemmschwelle, Gewalt auszuüben, insgesamt dramatisch sinkt." So zeichne sich für 2012 bei den Gewaltdelikten ein Anstieg um rund zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr ab. Eine genaue Zahl nannte Friedrich nicht.
In den offiziellen Statistiken der Sicherheitsbehörden für das Jahr 2011 wurden in dieser Kategorie laut "Tagesspiegel am Sonntag" 828 Fälle aufgeführt, so dass es bei einem Anstieg von zwei Prozent 2012 nun mindestens 840 Gewaltdelikte waren.
Friedrich fordert mehr Engagement von Staat, Politik und Gesellschaft
Friedrich forderte Staat, Politik und Gesellschaft auf, dem Rechtsextremismus stärker entgegenzuwirken. "Eine stärkere Sensibilisierung ist möglich. Es ist ja auch in den letzten Jahrzehnten gelungen, ein neues Umweltbewusstsein zu schaffen, gerade bei jungen Leuten", sagte er der Zeitung.
Gleichzeitig verteidigte der CSU-Politiker das Nein der Bundesregierung zu einem eigenen NPD-Verbotsantrag. "Die Regierung kneift nicht, sie unterstützt den Verbotsantrag der Länder", betonte Friedrich. "Jedes Verfassungsorgan muss für sich entscheiden und muss die Entscheidung dann auch verantworten." Auch als Mitglied des Bundestages werde er gegen einen Antrag stimmen. Kabinett gegen eigenen NPD-Verbotsantrag
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte ebenfalls Skepsis zu einem Verbotsantrag gegen die rechtsextreme NPD. "Es ist das eine, ob man eine Partei für verfassungswidrig hält, und das andere, ob man ein Verbotsverfahren mit Aussicht auf Erfolg betreiben kann", sagte er der "Welt am Sonntag". Die Rechtsextremen hätten sich in Deutschland zu normalen Zeiten immer selbst erledigt. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte im SWR, die Entscheidung zum NPD-Verbotsantrag "wäre wahrscheinlich anders ausgefallen, wenn die FDP nicht in der Regierung wäre".
Knobloch spricht von einem Armutszeugnis
Ex-Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer glaubt nicht, dass das Nein der Bundesregierung zu einem eigenen Vorstoß die Richter in Karlsruhe beeinflussen wird. "Ich glaube allerdings, dass es sich auf das Klima auswirkt", sagte der Strafrechtler der Deutschen Presse-Agentur. Hassemer hatte 2003 zusammen mit zwei Kollegen eine Fortsetzung des ersten Verbotsverfahrens abgelehnt.
Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch nannte den Verzicht der Bundesregierung auf einen eigenen Verbotsantrag in der "Mittelbayerischen Zeitung" ein "Armutszeugnis für unsere wehrhafte Demokratie". dpa/AZ