Avi Primor nannte das Verbot am Sonntagabend in den ARD-Tagesthemen "übertrieben, ein bisschen hysterisch". Mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ergriff auch ein Vertreter der Bundesregierung Initiative für den Literaturnobelpreisträger.
Grass' Gedicht löste Proteststurm in Israel aus
Grass hatte mit seinem die Iranpolitik Israels kritisierenden Gedicht "Was gesagt werden muss" in Israel, aber auch in Deutschland einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Israels Innenminister Eli Jischai erklärte Grass zur persona non grata, wie sein Ministerium mitteilte. Das Gedicht des 84-Jährigen sei "ein Versuch, die Flammen des Hasses gegen den Staat Israel und das israelische Volk anzufachen", erklärte das Innenministerium in Jerusalem.
Grass hatte in dem Gedicht Israel vorgeworfen, mit seiner Iran-Politik den Weltfrieden zu gefährden. Sollte Grass "seine verzerrten und lügnerischen Werke weiter verbreiten wollen, rate ich ihm, dies vom Iran aus tun, wo er sicher ein begeistertes Publikum finden" werde, fügte Jischai hinzu. Der Politiker gehört zur orthodoxen Schas-Partei. Zuvor hatte bereits Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Schriftsteller scharf kritisiert.
Ex-Botschafter Primor: Einreiseverbot "populistisch"
Auch Ex-Botschafter Primor kritisierte das Gedicht. Das Einreiseverbot allerdings sei "populistisch", sagte er in den "Tagesthemen." "Ich glaube, dass der Innenminister gar nichts von Deutschland versteht", sagte Primor weiter. "Er betreibt Innenpolitik. Ich halte das für falsch." Für ihn sei Günter Grass weder ein Antisemit noch ein Feind Israels.
Bundesgesundheitsminister Bahr nannte das Einreiseverbot in der Zeitung "Die Welt" "völlig überzogen". "Ich kann mir kaum vorstellen, dass Herr Grass nach dem deutlichen Unverständnis in Deutschland Interesse hätte, sich in Israel zu zeigen." Bahr kritisierte ebenso Grass' Agieren in der Debatte über sein israelkritisches Gedicht. Es sei "traurig anzusehen, wie jemand, der alle Debatten in Nachkriegsdeutschland miterlebt hat, von so viel Vorurteilen und Uneinsichtigkeit bei Kritik geprägt ist".
Bundesregierung meldet sich nun doch zu Wort
Die Bundesregierung hatte sich zunächst mit einer eigenen Bewertung des Grass-Gedichts zurückgehalten. Vor Bahr meldete sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zu Wort. Deutschland habe "eine historische Verantwortung für die Menschen in Israel", heißt es in einem Beitrag Westerwelles für die "Bild am Sonntag". Israel und Iran "auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen", sei "nicht geistreich, sondern absurd", fügte Westerwelle hinzu.
Zustimmung erhielt Grass aus dem Iran. Der stellvertretende Kulturminister Dschawad Schamakdari lobte das Gedicht am Samstag und sagte, Grass habe "wunderschön die Wahrheit gesagt".
Kritik auch aus den Reihen von Grünen und SPD
Der Grünen-Politiker Volker Beck kritisierte die harte Reaktion der israelischen Regierung. "Ein Einreiseverbot für Grass halte ic für überzogen und falsch", sagte der Fraktionsgeschäftsführer zu "Handelsblatt Online". Beck warf den israelischen Behörden Intoleranz vor. Der Linken-Außenpolitiker Jan van Aken bezeichnete das Einreiseverbot als "mittelalterlichen Bann".
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, sagte dem "Handelsblatt", die Reaktion Israels sei "unangemessen". Der israelische Historiker Tom Segev sagte "Spiegel online", das Einreiseverbot für Grass sei ein "zynischer und alberner Schritt". Es rücke Israel "in die Nähe fanatischer Regimes wie Iran". afp/AZ