Als Islam-feindlich und rassistisch geißelt die türkische Regierung eine Razzia der Berliner Polizei in einer Moschee der deutschen Hauptstadt. Die „hässliche Aktion“ habe die Heiligkeit des Gotteshauses und das Prinzip der Religionsfreiheit im deutschen Grundgesetz verletzt, schrieb Ibrahim Kalin, Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Twitter. Vizepräsident Fuat Oktay verlangte eine Entschuldigung der Berliner Staatsanwaltschaft und der Polizei bei der muslimischen Gemeinde. Der Präsident des türkischen Religionsamtes, Ali Erbas, warf den deutschen Behörden eine „hasserfüllte Haltung“ gegenüber Muslimen vor. Die scharfe Kritik entspringt dem Anspruch der Regierung, Beschützerin von Türken und Muslimen in Europa zu sein – und ist offenkundig der Versuch, die eigene konservative Anhängerschaft bei Laune zu halten.
Grund für Razzia: Möglicher Betrug mit Corona-Hilfen
Die Berliner Polizei hatte am Mittwoch die Mevlana-Moschee in Kreuzberg wegen Verdachts auf Betrug mit Corona-Soforthilfen durchsucht. Laut Generalstaatsanwaltschaft sollen drei Verdächtige unberechtigt staatliche Corona-Soforthilfen beantragt haben. In mindestens einem Fall soll das Konto der Mevlana-Moschee benutzt worden sein. Die Moschee, eine der bekanntesten in Berlin, wird dem Spektrum der vom Verfassungsschutz beobachteten, türkisch-islamistischen Bewegung „Milli Görüs“ zugeordnet. Der Schaden durch den mutmaßlichen Betrug liege bei 70.000 Euro. An der Durchsuchung der Moschee und fünf anderer Adressen waren rund 150 Polizisten beteiligt.
Ein Vorstandsmitglied des Moscheevereins habe 14.000 Euro Soforthilfe beantragt, berichtete der Tagesspiegel. Der Verein gilt als gemeinnützig, doch die Corona-Soforthilfe sei nur für Gewerbetreibende und bei Corona-bedingten finanziellen Einbußen vorgesehen. Das sei bei der Moschee nicht zu erkennen, sagten Sicherheitskreise der Zeitung zufolge. Dagegen erklärte der Vorstand der Moschee, er weise den Betrugsvorwurf zurück. Die Polizisten seien während des Morgengebetes vermummt in das Gotteshaus eingedrungen und hätten eine Tür und die Spendenbox aufgebrochen.
Die türkische Regierung gießt Öl ins Feuer und prangert den Berliner Fall als Angriff auf den Islam an. Religionsamt-Chef Erbas erklärte, kein Vorwand entschuldige den „diskriminierenden und respektlosen“ Umgang mit Muslimen. Das türkische Außenministerium kritisierte, es sei unentschuldbar, dass die deutschen Polizisten den Gebetsraum der Moschee mit Stiefeln betreten hätten. Zafer Sirakaya, ein in Deutschland geborener Abgeordneter der türkischen Regierungspartei AKP, erklärte, die Polizeiaktion sei „ein offensichtlicher Indikator für institutionellen Rassismus“. Der AKP-Abgeordnete Halil Etyemez warf der Berliner Polizei ein „Hassverbrechen der Islam-Feindlichkeit“ vor.
Erdogan sieht sich als Fürsprecher aller Muslime
Erdogan sieht sich als Fürsprecher von Muslimen auf der ganzen Welt und wirft dem Westen häufig Islamophobie vor. Vor wenigen Tagen griff er Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, der einen islamischen „Separatismus“ in Frankreich und ausländischen Einfluss auf französische Muslime bekämpfen will. Macron wolle damit „alte Rechnungen mit dem Islam und den Muslimen begleichen“, sagte Erdogan. Es gebe Politiker, die sich am „Aufstieg des Islam“ störten und Vorwände suchten, „um unsere Religion anzugreifen“, fügte der Präsident hinzu. Eine Reaktion von Polizei und Sicherheitsbehörden auf die Kritik stand zunächst aus.
Kritiker werfen Erdogan vor, immer neuen außenpolitischen Streit vom Zaun zu brechen, um die eigenen Wähler und seine rechtsnationalistischen Partner im Parlament zufriedenzustellen. Diese Taktik diene dem Präsidenten auch dazu, von der Krise der türkischen Wirtschaft abzulenken. Zumindest kurzfristig hat Erdogan damit Erfolg. Laut einer Umfrage des Instituts Metropoll stieg Erdogans Zustimmungsrate zuletzt, als Spannungen mit Griechenland im Mittelmeer eskalierten, von knapp 48 auf über 52 Prozent: Obwohl der Kurs der Lira und die Wirtschaftsentwicklung steil nach unten gingen, profitiere Erdogan von seinen „außenpolitischen Abenteuern“, kommentierte der US-Wirtschaftsexperte Steve Hanke.
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