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Rassismus: Das falsche Wort: Verschwindet der Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz?

Rassismus

Das falsche Wort: Verschwindet der Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz?

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    Grünen-Chef Habeck fordert, das Grundgesetz zu ändern und den Begriff "Rasse" zu streichen.
    Grünen-Chef Habeck fordert, das Grundgesetz zu ändern und den Begriff "Rasse" zu streichen. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbol)

    Eigentlich hatten Carlo Schmid und seine Kollegen es gut gemeint. Unter dem Eindruck des gerade erst untergegangenen Dritten Reiches legten die Väter des Grundgesetzes fest, dass in der Bundesrepublik kein Platz für Rassismus sein solle. Also formulierten sie in Artikel 3 unter anderem, dass niemand wegen seiner „Rasse“ benachteiligt oder bevorzugt werden dürfe. Das klingt nach Gleichberechtigung. Doch 70 Jahre später sind viele der Meinung: Der Begriff selbst ist rassistisch. Sie fordern, ihn aus dem Grundgesetz zu streichen. Und ihre Forderung trifft immer mehr auf offene Ohren.

    Schon 2010 wurden aus der Linkspartei Stimmen laut, die Formulierung von Artikel 3 zu ändern. Nach dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau im Februar kam die Forderung vonseiten der Grünen auf. In einem Gastbeitrag der Tageszeitung erneuerten der Parteivorsitzende Robert Habeck und die Antidiskriminierungssprecherin Aminata Touré das Ansinnen. Das Wort „Rasse“ manifestiere eine Unterteilung von Menschen in Kategorien, schreiben die beiden. Rassen gebe es nicht, nur Menschen. Aus den eigenen Reihen, aber auch von FDP, SPD und Linken erhielten Habeck und Touré Unterstützung. Und auch Innenminister Horst Seehofer von der CSU zeigte sich gesprächsbereit. „Ich versperre mich da nicht“, sagte er. Inwiefern eine sprachliche Änderung den Kampf gegen Rassismus bestärkt, lässt sich nicht sagen. Doch klar ist: Sachlich falsch ist der Begriff Rasse im Grundgesetz definitiv.

    Der Begriff "Rasse" trifft eine willkürliche Unterscheidung

    „Er ist in seiner biologischen Definition nicht auf den Menschen anwendbar“, sagt Ursula Wittwer-Backofen, Professorin für Biologische Anthropologie an der Universität Freiburg. Eine Rasse unterscheide sich von anderen durch klar und deutlich abgegrenzte Merkmale – die es beim Menschen nicht gebe. Merkmale wie Hautfarbe oder die Form des Nasenrückens, die bei der inzwischen veralteten Rassentheorie zur Unterscheidung gebraucht wurden, seien hingegen „hochvariabel“. Die genetischen Unterschiede, die innerhalb verschiedener Bevölkerungsgruppen festzustellen sind, seien deutlich signifikanter als jene zwischen den Bevölkerungsgruppen, sagt Wittwer-Backofen.

    Forscher des Instituts für Zoologie und Evolutionsforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehen noch weiter. In ihrer „Jenaer Erklärung“ von 2019 stellen sie das Konzept der Rasse gänzlich infrage. Merkmale und deren Unterscheidung zur Abgrenzung von Rassen festzulegen, sei „rein willkürlich“. Bezogen auf den Menschen bezeichnen sie den Begriff Rasse und das damit verbundene Konzept als „Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung“.

    Frankreich hat Rasse schon 2018 aus der Verfassung gestrichen

    Nicht nur im deutschen Grundgesetz, auch in den Verfassungen anderer Länder taucht der Begriff auf. Die USA etwa verbieten jegliche Diskriminierung aufgrund von „race“ – was sich jedoch nicht deckungsgleich mit „Rasse“ übersetzen lässt. Und Frankreich ging 2018 schon den Weg, der Deutschland nun bevorstehen könnte: Mit einstimmiger Mehrheit beschloss die Nationalversammlung, den Begriff aus der Verfassung zu streichen.

    Die Vorschläge, wie Artikel 3 zukünftig lauten könnte, reichen von einer kleinen Änderung bis hin zu einer völlig neuen Formulierung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby und der Parlamentsgeschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, schlugen vor, „Rasse“ schlicht durch „ethnische Herkunft“ zu ersetzen. Die Grünen bevorzugen einer Mitteilung zufolge hingegen die Formulierung, dass niemand „rassistisch benachteiligt oder bevorzugt werden“ dürfe. Zudem solle ein Satz hinzugefügt werden: Darin ginge es darum, dass der Staat vor Diskriminierung schütze und Nachteile beseitige. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig.

    Lesen Sie dazu auch: Soziologin Madubuko: Schweigen ist die Grundlage für Rassismus-Bestehen

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