Der Werbeslogan war eigentlich ironisch gemeint: „Wer nervt mehr als Claudia Roth?“, fragen die Grünen derzeit auf Wahlplakaten. Doch nachdem die Bundesvorsitzende (Wahlkreis Augsburg-Stadt) ihre Partei in einen Machtkampf um die Spitzenkandidatur für die kommende Bundestagswahl gestürzt hat, sind auf Führungsebene der Partei nun tatsächlich einige verärgert über ihre Chefin.
Aus ihrem eigenen Landesverband kassierte Roth gestern einen Rüffel. Sie könne schon verstehen, dass Roth Ambitionen auf einen Platz unter den Spitzenkandidaten hege, sagte Theresa Schopper, die Landesvorsitzende der bayerischen Grünen, im Gespräch mit unserer Redaktion. Ihren Anspruch hätte Roth aber besser intern kundgetan.
Nachdem Claudia Roth Ende vergangener Woche via Zeitungsinterview erklärt hatte, Jürgen Trittin als alleinigen Spitzenkandidaten nicht akzeptieren zu wollen, ist bei den Grünen ein Streit darüber ausgebrochen, wer nun aus dem Führungsquartett die Partei in den Wahlkampf führen soll. Trittin und Roth, Trittin und Renate Künast, Künast und Cem Özdemir – einer, zwei oder vielleicht doch gleich alle vier? Bislang ist alles offen.
Nach einem Treffen des Parteivorstands mit den Landes- und Fraktionsvorsitzenden in Berlin konnten die Grünen gestern noch kein Ende der Personalquerelen verkünden. Die Ergebnisse der Sitzung will die Partei erst einmal intern verarbeiten. Am kommenden Montag will der Bundesvorstand dann dem Parteirat einen Vorschlag unterbreiten, wie der Führungsstreit gelöst werden könnte. Offen bleibt damit, ob die Grünen ihre Spitzenkandidaten, wie von Claudia Roth vorgeschlagen, per Urwahl bestimmen werden. Es wäre das erste Mal, dass eine Partei dafür ihre Mitglieder befragt.
Die Haltung zu einer Urwahl ist bei den Grünen durchaus gespalten. Bei der Sitzung in Berlin gab es sowohl Zustimmung als auch Kritik. „Für mich wäre das eher ein Zeichen der Schwäche“, sagte etwa die bayerische Landesvorsitzende Schopper. „Personalfragen gehören ins Führungsgremium einer Partei.“ An der Basis interessierten sich die Leute mehr für das Inhaltliche.
In einem Punkt sind sich auf Führungsebene der Grünen jedoch alle einig: Das Gezänk um die Spitzenkandidatur müsse schleunigst enden, um die Aussichten bei den anstehenden Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein nicht zu gefährden. „Wenn wir da zu lange rumtun, bleibt nur der Aspekt hängen: Wie kann der mit dem und die mit der“, sagte Theresa Schopper.
Die Zahl der Spitzenkandidaten ist für sie dagegen unerheblich. In Baden-Württemberg seien die Grünen schließlich auch erst mit einem Team ins Rennen gegangen, und erst später habe sich Winfried Kretschmann allein an die Spitze gesetzt. mit dpa