Am Ende reicht es sogar dem Sicherheitsmann. Er geht zur Bühne und reicht der jungen Frau, die dort gerade zu den Querdenken-Demonstranten spricht, seine orangefarbene Weste. „Für so einen Schwachsinn mach ich doch keinen Ordner mehr“, ruft er empört und fasst sich an den Kopf. „Das ist Verharmlosung des Holocaust.“ Verdutzt bleibt die Rednerin zurück.
Eben hatte sie noch mit pathetischen Worten zum Widerstand gegen die Corona-Politik der Bundesregierung aufgerufen. „Hallo ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl“, liest die junge Frau auf der Demo in Hannover von ihrem Blatt ab. Man hört vereinzelt Applaus. Wie die NS-Widerstandskämpferin, die ihren Protest gegen die Hitler-Diktatur mit dem Leben bezahlen musste, sehe auch sie sich aktiv im Widerstand.
Das Video der Szene wurde im Internet inzwischen tausendfach kommentiert – und löst nicht nur dort scharfe Kritik aus. „Wer sich heute mit Sophie Scholl oder Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen“, schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas auf Twitter. „Nichts verbindet Corona-Proteste mit Widerstandskämpfer*Innen. Nichts!“
Die Maske als Judenstern?
Es ist indes nicht das erste Mal, dass die Corona-Demonstranten Vergleiche zur NS-Diktatur als Rechtfertigung für den eigenen Protest heranziehen – und sich so als Opfer eines vermeintlich übergriffigen Staates inszenieren, gegen den sie mutig kämpfen. Erst in der vergangenen Woche bezeichneten Demonstranten die Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes als Neuauflage des sogenannten Ermächtigungsgesetzes, mit dem die Nazis im Jahr 1933 ihren Weg in die Diktatur ebneten.
Ein anderes Mal verglich die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Barbe die Maskenpflicht mit der Pflicht von Juden, während der NS-Zeit einen gelben Stern zu tragen. Immer wieder sind auf den Demonstrationen zudem Menschen mit einem Stern mit der Aufschrift „ungeimpft“ am Revers zu sehen. Bei einer Demo in Karlsruhe sagte eine Elfjährige, sie fühle sich wie das jüdische Mädchen Anne Frank im Zweiten Weltkrieg, weil sie heimlich habe Geburtstag feiern müssen. Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, sprach von einer „neuen Eskalation“.
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