Bruins schwieg am ersten Prozesstag zu dem Mordvorwurf und zu seinem Lebenslauf. Er bestätigte dem Hagener Schwurgericht lediglich seine Personalien. Zu seiner Staatsangehörigkeit sagte der gebürtige Niederländer: "Ich bin seit 1942 Deutscher." In einem vom Gericht verlesenen Lebenslauf, den Bruins 1944 selbst verfasst hat, heißt es außerdem: "1941 ging ich freiwillig zur Waffen-SS."
Den lediglich 35 Minuten dauernden Prozessauftakt verfolgten auch Angehörige Dijkemas. Aldert Klaas Veldmann, ein Neffe des Opfers, sagte am Rande des Verfahrens: "Ich möchte dem Angeklagten in die Augen sehen. Ich möchte sehen, ob er Angst hat."
Zur Tatzeit war Siert Bruins laut Anklage Mitglied des deutschen Grenz- und Sicherheitspolizeipostens im niederländischen Delfzijl. Dort soll der heute in Westfalen lebende Angeklagte in der Nacht auf den 22. September 1944 gemeinsam mit einem Vorgesetzten viermal von hinten auf Dijkema geschossen haben. Laut Staatsanwaltschaft war der Niederländer zu einem verlassenen Fabrikgelände in Appingedam gefahren worden. Dort soll ihm gesagt worden sein: "Geh mal eben pissen." Kurz darauf seien die Schüsse gefallen. Zwei hätten den 36-Jährigen von hinten getroffen - auch in den Kopf.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass vermutlich beide SS-Männer geschossen haben. Einem hinzugerufenen Arzt soll später erklärt worden sein, dass Dijkema nach der Sperrzeit angetroffen worden und auf Anruf nicht stehen geblieben sei. Deshalb sei er auf der Flucht erschossen worden.
Ein niederländisches Sondergericht hatte Siert Bruins bereits 1949 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Später wurde die Strafe in lebenslang abgewandelt. Das Urteil konnte jedoch nie vollstreckt werden, weil Bruins rund drei Jahrzehnte unter falschem Namen in Westfalen untergetaucht war. Ein Auslieferungsersuchen der niederländischen Regierung war 1978 zurückgewiesen worden, weil Bruins als ehemaliger SS-Mann unwiderlegbar die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte.
Ein erstes Ermittlungsverfahren war eingestellt worden, weil die Tat ursprünglich als Totschlag und damit als verjährt eingestuft wurde. Mittlerweile wertet die Staatsanwaltschaft die Erschießung jedoch als Mord - und Mord verjährt nicht. Es ist bereits der zweite Prozess gegen Bruins. Wegen Beihilfe zur Erschießung zweier jüdischer Brüder war der Zaunfabrikant schon 1980 in Hagen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Davon hat er zwei Drittel verbüßt.
Im Falle einer erneuten Verurteilung droht Siert Bruins lebenslange Haft. Ob er die Strafe jedoch jemals verbüßen könnte, ist zweifelhaft. Der 92-Jährige ist gesundheitlich stark beeinträchtigt. Pro Verhandlungstag bescheinigte ihm ein Gutachter drei Stunden Verhandlungsfähigkeit. Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt. (dpa)