Man kann das nun gut finden oder nicht, aber Angeberei bringt einen anscheinend doch weiter im Leben. Marcus von Anhalt ist ein gutes Beispiel. Er stammt aus der Provinz in Baden-Württemberg, ist gelernter Metzger und hieß mal Marcus Eberhardt. Heute heißt er Prinz Marcus Eberhard Edward von Anhalt, Herzog zu Sachsen und Westfalen, Graf von Askanien. Er hat sich diesen Namen gekauft von einem, der sich den Namen von Anhalt ebenfalls gekauft hat. Angeber in zweiter Generation quasi.
Marcus von Anhalt nennt sich selbst "Prinz Protz"
Wer sich einen solchen Namen zulegt, dem muss sehr viel an seiner Außenfassade liegen. Er nennt sich selbst „Prinz Protz“ und will sagen, dass er kein Problem damit hat, seinen Reichtum hemmungslos zur Schau zu stellen. Marcus Eberhardt wollte schon immer viel mehr sein als der Metzger aus Pforzheim. Damit war vorgezeichnet, dass sein Weg dort enden würde, wo Protzen und Prahlen zwingend zum Geschäftsmodell gehören: im Rotlichtmilieu.
Marcus Eberhardt, 47, wurde also Zuhälter. Das war 1999. Heute ist er, soweit man das in dieser unübersichtlichen Branche feststellen kann, einer der erfolgreichsten Bordellbetreiber Deutschlands. Er besitzt nach eigenen Angaben rund 20 Geschäfte, in denen mehr als tausend Prostituierte arbeiten. FKK-Clubs, Eros-Center und Tabledance-Bars in Ulm und Neu-Ulm, Pforzheim, Stuttgart, Frankfurt. Er sei „Millionär im dreistelligen Bereich“ tönte er einmal und gab an, Häuser und Wohnungen in Los Angeles, Fort Lauderdale, Dubai, der Schweiz und Pforzheim zu haben. Und er hat ein Faible für Luxusautos in der Kategorie Rolls Royce, McLaren SLR, Porsche GT. Autos für mehrere hunderttausend Euro. Diese Leidenschaft hat ihn jetzt wieder ins Gefängnis und vor Gericht gebracht.
Der Bordellbetreiber hat viele Luxusautos auf seine Firma zugelassen
Dem Finanzamt in Neu-Ulm war aufgefallen, dass auf die Bordellbetreiberfirma Eberhardt Entertainment Enterprises (EEE) erstaunlich viele Luxusautos zugelassen waren. Die Augsburger Staatsanwaltschaft wirft dem Bordell-Prinzen jetzt vor, diese dicken Schlitten vor allem privat genutzt und zu Unrecht in seinen Steuererklärungen als Betriebsausgaben geltend gemacht zu haben. Es geht um 14 Autos und um angeblich 747279 Euro hinterzogener Steuern. Außerdem soll Marcus von Anhalt seinen Wohnsitz zum Schein ins Steuerparadies Staad in der Schweiz verlegt haben, um so die deutschen Steuerbehörden um weitere 800000 Euro zu prellen. Seit April sitzt der Prinz in U-Haft. Es muss eine harte Zeit sein für den Selbstdarsteller, so fernab der Öffentlichkeit.
Zu Prozessbeginn jedenfalls ist er wieder in Form. Er setzt sein breitestes Grinsen auf, trägt ein schwarzes Sakko mit glitzerndem Totenkopf hintendrauf und eine große Sonnenbrille, die Haare wie immer strahlenförmig nach oben gegelt – fast wie eine Krone. Er hat vier Verteidiger engagiert. Eine Nummer kleiner geht es nicht bei ihm. Er selbst weist auf zwei Ferraris hin, die „die Staatsanwaltschaft wohl vergessen hat“. Er lässt keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass er selbst 41 Luxusschlitten besitze. „Warum sollte ich die Autos meiner Betriebe benutzen, wenn ich bessere daheim in der Garage habe?“, fragt er frech. Und nennt sich selbst „Prinz Großkotz“. Es widerspricht ihm niemand.
Schnell wird klar, worauf der Prinz hinaus will: Er behauptet, dass teure Autos in seiner Branche Pflicht sind. „Der beste Lude (Zuhälter) hat den besten Benz“, sagt er. „Wenn man da mit dem Fiesta daher fährt, nimmt einen keiner ernst.“ In diesem Punkt dürfte er wohl recht haben. Nach seiner Argumentation gehören Rolls Royces, Porsches, Maybachs und McLarens zur Pflege der „Marke Prinz von Anhalt“. Deshalb seien sie zu recht als Betriebsausgaben abgesetzt worden. Er erklärt der 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg in breitem Dialekt: „Facebook-Chef Zuckerberg hat auch die 130 Milliarden, die seine Firma wert ist, nicht daheim im Safe.“
Marcus von Anhalt sieht sich selbst als Opfer
Auf den Fluren des Gerichts sagen Prozessbesucher, dass der Prinz doch recht habe. Und überhaupt: Warum sitzt der schon seit acht Monaten in Untersuchungshaft, während zum Beispiel ein Uli Hoeneß mit weit mehr hinterzogenen Steuern keinen Tag in U-Haft verbringen musste?
Marcus von Anhalt würden solche Äußerungen gefallen. Er sieht sich selbst ein bisschen als Opfer. Als Opfer der Justiz, Opfer einer Neiddebatte. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Natale hat schon durchblicken lassen, dass seine Kammer ihn als Steuerhinterzieher sieht. Wann das Urteil fällt, ist allerdings unklar.
An den Ausführungen des Prinzen wird klar: Marcus von Anhalt, der häufig in operettenhaften Fantasieuniformen mit Pornosternchen auftritt, mag in seiner Außendarstellung ein Riesenprolet sein, aber dumm ist er nicht. Vielmehr scheint es so, dass er seine „Karriere“ gut durchgeplant hat. Die Grundlage: Protzen, was das Zeug hält. Anders geht es im Rotlichtmilieu nicht. Und die Selbstvermarktungsmaschinerie anwerfen. In manchen Jahren absolvierte er 200 Fernsehauftritte. Angeben ist sein Geschäftsmodell und es ist ihm egal, wenn er dafür verachtet wird.
Richtig in Schwung kommt das Geschäft aber erst nach einem Gefängnisaufenthalt wegen Zuhälterei, Menschenhandels und gefährlicher Körperverletzung. 2004 macht Marcus Eberhardt Bekanntschaft mit Prinz Frédéric von Anhalt, der eigentlich Hans-Robert Lichtenberg heißt und früher mehrere Saunaclubs betrieben hat. Dieser hatte über den berüchtigten Honorarkonsul Hans-Hermann Weyer Marie Auguste Prinzessin von Anhalt kennengelernt, eine echte Adelige. 1980 adoptierte sie Lichtenberg aus finanziellen Gründen. Fortan nannte der sich Prinz Frédéric von Anhalt, und höchstwahrscheinlich nur mit diesem Adelsnamen war es ihm möglich, 1986 die Filmlegende Zsa Zsa Gabor zu ehelichen.
Frédéric von Anhalt adoptierte Marcus gegen mehrere Millionen Euro
2005 adoptiert Frédéric von Anhalt gegen Zahlung von mehreren Millionen Euro den Rotlichtmann Marcus Eberhardt. Und nicht nur ihn. Ende 2011 ist die Rede von 60 Menschen, die Frédéric adoptiert haben soll, vermutlich nicht kostenlos. Die echte Familie von Anhalt (siehe Infokasten), eines der ältesten deutschen Adelsgeschlechter, ist über diese Entwicklung alles andere als amüsiert. Doch das juckt den Pforzheimer Neu-Prinzen wenig. Er meldet sogar einen Wohnsitz in der Bel Air Road 1001 in Los Angeles an, wo seine neuen Adoptiveltern wohnen. Elvis Presley hat die Villa gebaut. Er fand die Adresse „cool“, sagt der Prinz, „ich wollte auf dicke Hose machen“. Offenbar sein Lebensprinzip.
Aber das Geschäft brummt, die Boulevardmedien lieben ihn. 2008 organisiert er das „Royal Race“, ein Autorennen quer durch Europa, an dem sogar der frühere „Baywatch“-Star Pamela Anderson zeitweilig teilnimmt. Alle anderen Prominenten sagen ab.
Aber ein gewisser Robert Geiss fährt auch mit, der später als Hauptdarsteller der RTL-II-Pseudo-Doku „Die Geissens“ nationale Bekanntheit erreichen sollte. Damals, 2008, ist er ein Mann, der keine Berührungsängste zum Milieu hat. Die Kleidung, die er unter der Marke „Uncle Sam“ vertrieb, seien ja praktisch für Zuhälter geschneidert worden, weil die mit ihren dicken Oberschenkeln in keine Jeans passten, sagte er einmal. Ende der 1990er Jahre verkaufte er seine Firmenanteile angeblich für 70 Millionen Mark und zog nach Monte Carlo.
Prinz Protz verkaufte Robert Geiss einen Rolls Royde mit falschem Tachostand
Dass das extreme Luxusleben der Geissens möglicherweise auch viel Schein beinhaltet, klingt im Augsburger Prozess an, wenn Prinz Marcus erzählt, wie er Robert Geiss einen Rolls Royce Phantom mit 220000 Kilometern auf dem Tacho verscherbelte: für 70000 Euro. Zuvor hat er den Kilometerstand auf gut 70000 Kilometer runtergedreht. Geiss habe das gewusst und für gut befunden, sagt von Anhalt breit grinsend.
Tarnen, Täuschen, So-tun-als-ob – das hat den Prinzen von Anhalt dazu gemacht, was er jetzt ist: ein erfolgreicher Bordellbetreiber, aber auch ein Angeklagter in einem umfangreichen Steuerhinterziehungsprozess. Ihm drohen mehrere Jahre Gefängnis. Und auch wenn er in der JVA Augsburg gut zurechtkommt und seit seiner ersten Haftstrafe ohnehin Strohleute die Geschäfte führen – auf Dauer wäre ein Gefängnisaufenthalt für sein Rotlichtimperium sicher nicht zuträglich. Zumal osteuropäische Banden in die Branche drängen. Über die sagt der Mann, der auf große Marken-Embleme steht: „Die haben keinen Stil mehr.“
Marcus von Anhalt schätzt den „Stil“ der alten Zuhälter. Er hält sich für „einen der Besten, die es je gab“. Das hat er 2003 in seiner Autobiographie „Lebenslänglich Lude“ geschrieben, aus dem das Gericht vorliest. Über sein damaliges Strafverfahren schrieb er: „Ich bin so reich, ich kaufe das ganze Gericht“ und, auf Seite 208: „Steuern zu zahlen kam für mich überhaupt nie infrage.“ Diese Passage interessiert das Gericht besonders.
Am Mittwochvormittag beantragt seine Verteidigerin Ariande Hepp aus Ulm, dass aus dem Buch nicht mehr vorgelesen wird. Begründung: Das Buch habe nur 25 Prozent Wahrheitsgehalt.