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Prozess: Lübcke-Mord: Laut Angeklagtem gab es keine Mitwisser

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Lübcke-Mord: Laut Angeklagtem gab es keine Mitwisser

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    Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sagte der Angeklagte Stephan Ernst am Mittwoch aus, dass es außer dem Mitangeklagten Markus H. keine Mitwisser gab.
    Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sagte der Angeklagte Stephan Ernst am Mittwoch aus, dass es außer dem Mitangeklagten Markus H. keine Mitwisser gab. Foto: Kai Pfaffenbach, Reuters Pool/dpa

    Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter LübckeLübcke haben am Mittwoch die Hinterbliebenen über ihren Anwalt Fragen an den Angeklagten gestellt. Der Verteidiger wollte von Stephan Ernst, der die Bluttat gestanden hat, insbesondere etwas über die Stunden davor erfahren und stellte Fragen nach weiteren Mitwissern außer dem Mitangeklagten Markus H., der bei der Tat ebenfalls anwesend gewesen sein soll. "Von meiner Seite: nein", sagte der mutmaßliche Rechtsterrorist dazu. Er wisse aber nicht, ob der wegen Beihilfe angeklagte H. womöglich mit jemandem gesprochen habe.

    Holger Matt, der Anwalt der Familie Lübcke, die als Nebenkläger an dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt teilnimmt, hielt Ernst mehrfach die Angaben aus dessen Geständnis vor, etwa zur gemeinsamen Planung. "Stimmt das?" fragte er jedes Mal nach. "Ja", antwortete Ernst jeweils knapp. Erst nach längerem Schweigen antwortete er dagegen auf die Frage, ob er sich vor der Tat nie Gedanken über die Familie gemacht habe, der er den Ehemann und Vater nehmen würde. "Nein, habe ich nicht", erwiderte er schließlich zögernd und vermied dabei den direkten Blickkontakt zu der Familie. Auch über Lübcke als Menschen, der kurz vor dem Ruhestand stand und noch Pläne für sein Leben hatte, habe er sich "keine Gedanken gemacht", räumte er ein.

    Große Prozesse gegen Rechtsextremisten in Deutschland

    Dem Prozess im Mordfall Walter Lübcke gingen zahlreiche Gerichtsverfahren gegen Rechtsextremisten in Deutschland voraus. Wichtige Urteile im Überblick: 

    Der "Bückeburger Prozess": 1979 werden erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Rechtsextremisten wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Vier Angeklagte aus dem Umfeld des Hamburger Neonazis Michael Kühnen erhalten wegen Überfällen und Anschlagsplänen zwischen acht und elf Jahre Haft. 

    "Wehrsportgruppe Hoffmann": Karl-Heinz Hoffmann, der Gründer der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe, wird 1986 wegen verschiedener Delikte zu über neun Jahren Haft verurteilt. Vom Doppelmord an einem jüdischen Verlegerpaar wird er vor dem Nürnberger Schwurgericht jedoch freigesprochen. 

    Kay Diesner: 1997 wird der Neonazi wegen Mordes an einem Polizisten und versuchten Mordes an einem weiteren Polizisten sowie einem linken Buchhändler zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Lübecker Landgericht wirft ihm «menschenverachtende Verblendung» vor.

    "Gruppe Freital": Das Oberlandesgericht Dresden verhängt 2018 gegen die rechtsextreme «Gruppe Freital» Haftstrafen zwischen vier und zehn Jahren. Die acht Angeklagten werden unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und versuchten Mordes verurteilt.

    NSU-Prozess: Die Rechtsterroristin Beate Zschäpe wird 2018 wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Über fünf Jahre wurden am Oberlandesgericht München die rassistischen Morde des sogenannten «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) zwischen 2000 und 2006 sowie der Mord an einer Polizistin verhandelt. 

    Anschlag von Halle: Voraussichtlich ab Juli 2020 muss sich Stephan B. nach dem versuchten Anschlag auf eine Synagoge und dem Mord an zwei Menschen vor dem Oberlandesgericht Naumburg verantworten. B. hatte im Oktober 2019 versucht, in der Synagoge ein Blutbad unter den dort versammelten Gläubigen anzurichten. (dpa)

    Lübcke-Mord: Laut Angeklagtem Stephan Ernst gab es keine Mitwisser

    "Für die Familie war der heutige Vormittag sehr schmerzlich, weil erneut die schrecklichen Details aus der Tatnacht zur Sprache kamen", sagte Dirk Metz, der Sprecher der Familie, anschließend. "Er war aber zugleich in den vertiefenden Erläuterungen des Geständnisses ein sehr wichtiger Teil der Hauptverhandlung." Anwalt Matt habe mit seinen Fragen für den Prozess wichtige Erkenntnisse aus den Ausführungen des Hauptangeklagten gewinnen können. "Danach steht für die Nebenklage fest, dass die beiden Angeklagten die Tat aus ihrem Hass heraus seit langem gemeinsam geplant und sie auch am 1. Juni letzten Jahres gemeinsam in Wolfhagen-Istha durchgeführt haben, indem der arg- und ahnungslose Walter Lübcke aus niederen Beweggründen und heimtückisch erschossen wurde", betonte Metz.

    Ernst, ein 46-jähriger Deutscher, hatte vor zwei Wochen in einer von seinem Verteidiger verlesenen Einlassung die Tat gestanden und seitdem auf Fragen der Richter und der Bundesanwaltschaft geantwortet. Außer Ernst ist Markus H. in dem Verfahren vor dem Staatsschutzsenat wegen Beihilfe angeklagt. Die

    Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kofschuss getötet worden.
    Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kofschuss getötet worden. Foto: Uwe Zucchi, dpa

    Für die Angehörigen von Walter Lübcke war der Mittwoch ein wichtiger Tag im Mordprozess

    Offen ließ Ernst, der in seiner Einlassung auch um die Möglichkeit gebeten hatte, an einem Aussteigerprogramm teilnehmen zu können, woraus er konkret aussteigen wollte - ob er etwa entgegen seiner bisherigen Äußerungen doch noch Teil einer organisierten Szene gewesen sei.

    Im weiteren Verlauf des Verhandlungstages ging es erstmals konkreter um Markus H., der Ernst radikalisiert und politisch beeinflusst haben soll. Mehrere Polizeibeamte sagten als Zeugen zur Auswertung seines Computers und seiner Telefone beziehungsweise zu Chatprotokollen aus. Diese waren teilweise ebenso gelöscht wie Computerdateien, die zahlreiche Beispiele rechtsextremer Literatur wie "Mein Kampf" oder das Parteiprogramm der NSDAP enthielten sowie antisemitische Schriften und Bücher zu Waffen und Uniformen. Auf Fotos posierte H. vor der Reichskriegsflagge, in Uniform, mit Waffen oder mit Hitlergruß. Wer die Dateien gelöscht hatte und wann das geschehen war, blieb dabei zunächst ungeklärt.

    Der Prozess wird am 27. August mit der Vernehmung eines weiteren Polizeibeamten als Zeugen fortgesetzt. (dpa)

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