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Pro NRW: Salafisten wollten offenbar rechtsextremen Politiker ermorden

Pro NRW

Salafisten wollten offenbar rechtsextremen Politiker ermorden

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    Der Vorsitzende von "Pro NRW", Markus Beisicht ist offenbar einem Anschlag durch Salafisten entgangen.
    Der Vorsitzende von "Pro NRW", Markus Beisicht ist offenbar einem Anschlag durch Salafisten entgangen. Foto: Franz-Peter Tschauner dpa

    Einen Mordanschlag mutmaßlicher Salafisten gegen einen Politiker der rechtsextremen Partei Pro NRW hat die Polizei offenbar vereitelt. Das Attentat richtete sich nach Angaben aus Ermittlerkreisen gegen den Pro-Markus Beisicht.  Nach Angaben der Polizei Essen wurden in der Nacht zu Mittwoch vier mutmaßliche Islamisten in Leverkusen, Essen und Bonn festgenommen. 

    Salafistische Szene: Scharfe Schusswaffe und Zubehör gefunden

    Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dortmund wurden zwei  Verdächtige in Leverkusen und jeweils einer in Essen und Bonn  festgenommen. Die Polizei Essen teilte am späten Mittwochnachmittag  mit, die Festgenommenen seien der salafistischen Szene zuzuordnen.  Sie stünden im Verdacht, "schwere staatsgefährdende Straftaten"  geplant zu haben. Bei Wohnungsdurchsuchungen in Essen und Bonn  seien eine scharfe Schusswaffe und Zubehör gefunden worden, das zur  Herstellung von Sprengstoff verwendet werden kann.

    Anschlag auf Politiker geplant

    Zwei der Männer wurden nach den Polizeiangaben in unmittelbarer  Nähe der Wohnung des Politikers festgenommen, auf den sie einen  Anschlag planten. Medienberichten zufolge sind zwei der  Festgenommenen Konvertiten zum Islam. Vor einigen Monaten hatten sich Islamisten und Anhänger von Pro  NRW harte Auseinandersetzungen geliefert. Im Internet tauchten im  vergangenen Jahr sogar Mordaufrufe gegen Pro-NRW-Mitglieder auf,  nachdem die Partei die umstrittenen Mohammed-Karikaturen öffentlich  ausgestellt hatte.

    Deutsche Sicherheitsbehörden am Mittwoch mit Razzien und Vereinsverboten wieder gegen die radikal-islamische Salafisten-Szene vorgegangen. Am Mittwoch durchsuchten Polizisten einen Vereinsraum und rund 20 Wohnungen von Mitgliedern salafistischer Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Die Ermittler stellten bei den Salafisten Laptops, Mobiltelefone, Dateien, Propagandamaterial und Bargeld sicher.

    Razzien in der Szene der Salafisten

    An den Razzien in der Szene der Salafisten waren nach Angaben aus Sicherheitskreisen rund 120 Beamte beteiligt. Schwerpunkte der Durchsuchungen waren Frankfurt am Main, Düsseldorf, Gladbeck und Solingen. Aus dem Innenministerium hieß es am Nachmittag, die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen habe bereits begonnen: Die Ermittler suchen auch nach Erkenntnissen über bislang unbekannte Strukturen der Szene.

    Innenminister Friedrich nimmt sich die Salafisten-Szene vor. Hans-Peter Friedrich (CSU) verbot die Vereinigungen "DawaFFM" und "Islamische Audios" - ebenso eine Teilorganisation der bereits 2012 aufgelösten Gruppierung "Millatu Ibrahim" namens "An-Nussrah".

    Strukturen der Vereine zerschlagen

    Das ist Salafismus

    Salafisten wollen Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach mittelalterlichen Regeln umgestalten. Sie sehen sich als Verfechter eines unverfälschten Islams, lehnen Reformen ab und betreiben die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezifferte die Zahl radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober 2016 auf 9200. Es radikalisieren sich dabei immer mehr junge Menschen.

    Motor der Radikalisierung ist oft das Internet. Eine autoritäre Erziehung, innerfamiliäre Gewalt und soziale Unsicherheit verstärken Studien zufolge die Bereitschaft junger Menschen, selbst gewalttätig zu werden und sich von Islamisten vereinnahmen zu lassen.

    Bei den Razzien in der Salafisten-Szene kam es zu keinen Zwischenfällen oder Festnahmen. Ziel sei nicht gewesen, gegen Einzelpersonen vorzugehen, sondern die Strukturen der Vereine zu zerschlagen, hieß es. Das Innenressort wirft den Gruppierungen vor, dass sie sich gegen die Werteordnung des Grundgesetzes wenden, das Rechtsstaatsprinzip ablehnen, eine islamische Ordnung nach den Gesetzen der Scharia anstreben und zur Gewalt gegen Andersgläubige aufrufen.

    Ermittler in Nordrhein-Westfalen verhinderten nach mehreren übereinstimmenden Medienberichten einen islamistischen Anschlag auf den Vorsitzenden der rechtsextremistischen Partei Pro NRW. Bei der Aktion, die offensichtlich nicht mit dem groß angelegten Vorgehen gegen Salafisten zusammenhing, wurden demnach insgesamt vier Verdächtige festgenommen.

    Mehrere Festnahmen in der Nacht auf Mittwoch

    Ein Sprecher der Essener Polizei bestätigte der Deutschen Presse-Agentur lediglich "mehrere Festnahmen in der Nacht zu Mittwoch". Zu weiteren Details wollte er sich nicht äußern. Wie die "Bild"-Zeitung zuerst berichtete, wurden zwei der Verdächtigen nahe dem Wohnort des Pro-NRW-Chefs Markus Beisicht in Leverkusen gestellt. Die Polizei habe dann noch zwei weitere Verdächtige in Bonn und Essen festgenommen.

    Keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne

    Islamistische Bedrohungen in Deutschland

    Oktober 2012: Das Bonner Landgericht verurteilt einen Salafisten zu sechs Jahren Haft. Bei einer Kundgebung gegen die rechtsextreme Splittergruppe "Pro NRW" im Mai hatte er zwei Polizisten mit einem Messer verletzt.

    Juli 2012: In Düsseldorf beginnt der Prozess gegen vier mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder, die einen Sprengstoffanschlag in Deutschland geplant haben sollen. Die Mitglieder der sogenannten Düsseldorfer Zelle haben laut Bundeskriminalamt an einer Bombe gebaut.

    März 2011: Ein junger Kosovo-Albaner erschießt auf dem Flughafen Frankfurt/Main zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere schwer. Er gilt als islamistischer Einzeltäter und wird im Februar 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt.

    September 2007: Die islamistische Sauerland-Gruppe wird festgenommen. Vor Gericht müssen sich die vier Mitglieder wegen der Planung von Terroranschlägen auf Diskotheken, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland verantworten. 2010 werden sie zu bis zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.

    Juli 2006: Im Kölner Hauptbahnhof werden in zwei Regionalzügen Kofferbomben gefunden. Nur wegen eines falschen Gasgemischs waren sie nicht explodiert. Im Dezember 2008 wird der "Kofferbomber von Köln" zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Dezember 2004: Mitglieder der kurdisch-irakischen Islamistengruppe Ansar al-Islam planen, Iraks Ministerpräsidenten Ijad Allawi während eines Deutschland-Besuches zu ermorden. Die Polizei hört ihre Telefongespräche ab und nimmt drei Männer fest. 2008 wird der Haupttäter zu zehn Jahren Haft verurteilt.

    April 2002: Der Polizei gehen mutmaßliche Anhänger der Al-Kaida nahestehenden Terrorgruppe Al-Tawhid ins Netz. Die Männer planten Angriffe auf das jüdische Gemeindezentrum in Berlin und jüdische Gaststätten in Düsseldorf. Sie werden zu Haftstrafen verurteilt.

    Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich betonte im Bezug auf die Razzien und Vereinsverbote, es habe vor der Aktion keine Hinweise auf eine konkrete Anschlagspläne gegeben. Seit Jahren existiere aber eine abstrakte Terrorgefahr in Europa. Die meisten der vereitelten Terroranschläge in der Vergangenheit hätten Salafisten geplant. "Wir müssen diese gefährlichen Organisationen verbieten", betonte er.

    Salafisten nutzen nach Friedrichs Einschätzung auch die Unruhen in Nordafrika und Nahost für ihre Zwecke. Im vergangenen Jahr Jahr seien 60 Personen aus dem salafistischen oder teil-salafistischen Umfeld nach Ägypten ausgewandert. Es bestehe die Gefahr, dass sie von dort aus weiter in Krisengebiete ziehen oder später nach Deutschland zurückkehren könnten.

    Gefährdung durch Salafisten

    Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, sprach von einem "guten Tag für die Sicherheit in Deutschland". Die Gefährdung durch Salafisten habe in den vergangenen Jahren zugenommen: Ihre Zahl sei zuletzt von 3800 auf 4500 gestiegen. Sie seien nicht mehr nur in Gebetsräumen und im Internet aktiv, sondern auch mit Gewalttaten auf den Straßen.

    Salafismus - Strömung des Islamismus

    Zur islamistischen Strömung gehört der Salafismus. Diese religiöse und politische Bewegung orientiert sich an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islam. Das arabische Wort «Salaf» steht dabei für Ahnen und Vorfahren. Viele Salafisten tragen lange Bärte, weite Gewänder und Kopfbedeckungen. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach Überzeugung von Salafisten eine schwere Sünde.

    In Deutschland stehen Teile der Salafisten-Bewegung im Verdacht, ein Sammelbecken für gewaltbereiten Islamismus zu sein und Verbindungen zu Terrornetzwerken zu pflegen. Nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht üben viele salafistische Einrichtungen vor allem auf junge Muslime Anziehungskraft aus. Das Gedankengut könne eine Radikalisierung fördern.

    Die salafistische Ideologie sei durch ein Vereinsverbot nicht zu verdrängen, räumte Maaßen ein. "Aber wir machen es den Menschen schwer, ihre Ideologie auszuleben, indem wir die Strukturen zerstören." Einige Anführer hatten sich allerdings in der Vergangenheit rechtzeitig ins Ausland abgesetzt. Andere verbreiten ihre Parolen unter geänderten Namen weiter im Internet.

    Bereits im Juni 2012 waren Polizei und Justiz bundesweit mit Großrazzien gegen radikal-islamische Salafisten vorgegangen. Beamte hatten damals an 80 Orten in sieben Bundesländern Wohnungen, Vereinsräume und eine Moschee durchsucht. Auch bei der früheren Aktion lag der Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen und Hessen.

    Friedrich hatte damals die Vereinigung "Millatu Ibrahim" verboten und ein vereinsrechtliches Verfahren gegen "DawaFFM" eingeleitet. Die Unterlagen und Erkenntnisse, die im vergangenen Juni beschlagnahmt und gewonnen wurden, nutzten die Ermittler nun für ihre Folgeaktion. dpa/AZ

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