Nach zwei Wochen Abwesenheit wird immer mehr über den Verbleib von Nordkoreas Machthabers Kim Jong Un gerätselt. Inmitten widersprüchlicher Berichte über den Gesundheitszustand des Alleinherrschers wurde Kims mutmaßlicher Privatzug von US-Experten an der Ostküste des Landes gesichtet.
Die auf Nordkorea spezialisierte Nachrichtenseite "38 North" veröffentlichte dazu am Samstag (Ortszeit) Satellitenbilder, die aus der vergangenen Woche stammen sollen. Wirklich Aufschluss brachten aber auch diese Aufnahmen nicht.
Die Berichte über eine angeblich schwere Erkrankung Kims, der erst Mitte 30 ist, sorgen international schon seit Tagen für Aufsehen. Aus seinem international ziemlich abgeschotteten Landes gibt es dazu nur Schweigen. Dies feuert nicht nur die Spekulationen über Kims Wohlergehen an. Inzwischen wird auch über die Frage diskutiert, wer dem jüngsten Machthaber der Diktatorenfamilie folgen könnte. Südkoreas Regierung hält weiter dagegen: Über eine schwere Erkrankung Kims sei nichts bekannt.
Zu den Satellitenbildern schrieben die US-Experten selbst, der 250 Meter lange Zug im Küstenort Wonsan sage nichts darüber aus, wo sich Kim selbst aufhält und wie es um seine Gesundheit bestellt ist. Allerdings verliehen die Aufnahmen Berichten Gewicht, wonach sich Kim "in einem Gebiet für die Elite an der Ostküste des Landes" befinde. Der Zug könnte bereits vor dem 21. April an einem Bahnhof eingetroffen sein, der für die stalinistische Führung reserviert ist. Am 23. April sei er noch immer dort gewesen, so "38 North".
Das Präsidialamt in Südkorea widersprach zuletzt Berichten des US-Nachrichtensenders CNN, wonach Kim nach einer Operation "in ernsthafter Gefahr" sei. Das südkoreanische Nachrichtenportal "Daily NK" hatte zuvor schon unter Berufung auf einen Informanten im Nachbarland gemeldet, Kim sei am 12. April am Herzen operiert worden. Nach einem Eingriff erhole er sich wieder. Kim ist übergewichtig und gilt als starker Raucher.
Am Sonntag zitierte der Sender Fox News den außenpolitischen Präsidentenberater Moon Chung In aus Südkorea mit den Worten, Kim sei "am Leben, und es geht im gut". Kim befinde sich seit dem 13. April in Wonsan. Gesicherte Erkenntnisse zur Lage in Nordkorea, das weitgehend von der Außenwelt isoliert ist, gibt es nicht. Die Führung in Pjöngjang kontrolliert die Informationen über Kim und seine Familie in der Regel äußerst streng.
Immerhin gab es am Sonntag in Nordkoreas Staatsmedien eine Verlautbarung. Nach Informationen der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap berichtete das Staatsfernsehen des Nachbarlands, dass Kim seine Wertschätzung für Arbeiter geäußert habe, die Häuser in der nördlichen Grenzstadt Samjiyon gebaut hätten. Zum Aufenthaltsort oder zu öffentlichen Auftritte Kims halte sich Nordkorea weiter bedeckt, schrieb Yonhap.
Auch über eine offizielle Nachfolgeregelung in Pjöngjang ist nichts bekannt. Im Mittelpunkt der Spekulationen steht in Südkorea Kims jüngere Schwester Kim Yo Jong. Kims eigene Kinder - er soll drei haben - sind zu jung, um für eine Machtübernahme in Frage zu kommen.
Die Schwester, die Anfang 30 ist, gilt nicht nur als einflussreiche Beraterin des Machthabers. Mit ihr würde auch sichergestellt, dass die Macht weiter in der Hand der Kim-Dynastie liegt, die seit mehr als 70 Jahren über das Land herrscht. Mit der Festigung der Macht von Kim Jong Un stieg auch die Schwester in der Hierarchie auf. Inzwischen ist sie "Alternatives Mitglied" im Politbüro des Zentralkomitees der Arbeiterpartei. Das Politbüro gilt als höchstes Vollzugsorgan innerhalb des Zentralkomitees.
Ausgeschlossen wird aber auch nicht, dass die Macht zunächst von einem Zirkel einflussreicher Funktionäre und Militärs ausgeübt wird. Falls Kim Jong Un sterbe, bevor seine Kinder erwachsen seien, "wird höchstwahrscheinlich eine kollektive Führung ernannt, um das Land zu regieren, bevor ein dynastischer Nachfolger bereit ist, um zu übernehmen", schrieb zuletzt der Nordkorea-Kenner Leonid Petrow von der Australischen National-Universität auf Twitter. (dpa)