Wann sie sich in Helmut Kohl verliebt hat? „Das war ein langsamer Prozess“, erzählt Maike Kohl-Richter im November 2014 dem Stern. „Also, es gibt kein Ereignis, keinen Tag, keine Stunde.“ Den Vorwurf, sie habe den Altkanzler wie einen Helden verehrt und sich regelrecht an ihn herangemacht, weist sie damals als „totalen Unsinn“ zurück. Sie, eine Stalkerin? „Das ist beleidigend.“
Erhoben hat diesen Vorwurf Peter Kohl, einer der beiden Söhne aus Kohls erster Ehe – und damit schon vor Jahren eine Familientragödie öffentlich gemacht, die ihresgleichen sucht. Am Freitag, kurz nachdem er die Nachricht vom Tod seines Vaters im Radio gehört hat, steht Peter Kohls älterer Bruder Walter jedenfalls vor seinem Elternhaus in der Marbacher Straße im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim und sagt Sätze, wie sie sonst nur im geschützten Raum einer Familie fallen, wenn überhaupt. Wie seine eigenen Kinder darunter gelitten hätten, dass ihr Großvater für seine Enkel nicht zu sprechen war. Dass er selbst zum letzten Mal im Sommer 2011 mit dem Vater telefoniert habe. „Sie sehen einen Menschen, der sehr traurig ist“, sagt Walter Kohl. „Mein Vater hat ja allen Kontakt abgebrochen.“ Oder soll man sagen: Maike?
Kohl-Söhne haben mehrere Bücher geschrieben
In mehreren Büchern haben sich die beiden Kohl-Söhne ihre Trauer über den Selbstmord ihrer Mutter Hannelore im Jahr 2001 und ihren Frust über die zunehmende Entfremdung zwischen ihnen, ihrem Vater und Maike Kohl-Richter von der Seele geschrieben, die systematisch jeden Kontakt zu ihnen unterbunden habe. Und auch jetzt, da Helmut Kohl gestorben ist, sind andere ihm näher als die eigenen Söhne. Als Walter Kohl noch einmal ins Haus will, um von seinem Vater Abschied zu nehmen, öffnet ihm der frühere Chefredakteur der Bild-Zeitung die Tür, Kai Diekmann, ein enger Vertrauter des Altkanzlers und einer seiner Trauzeugen bei der Hochzeit mit der 34 Jahre jüngeren Maike. Diekmann ist schon da – Walter Kohl dagegen hat Mühe, überhaupt aufs Grundstück zu kommen, weil ihn die Polizeibeamten zunächst nicht erkennen und ihn nicht durchlassen wollen. „Ich finde es schade“, sagt er später resigniert, „wenn man nicht in der Lage ist, Dinge in diesem Leben zu regeln.“
Maike Richter ist eine junge, ehrgeizige Volkswirtin, als sie 1994 vom Münchner Ifo-Institut als Redenschreiberin ins Bonner Kanzleramt wechselt. Aufgewachsen in Nordrhein-Westfalen, der Vater Ingenieur, die Mutter Lokaljournalistin, sie selbst früh schon in der Jungen Union aktiv: Ein Groupie von Kohl, beteuert sie später einmal, sei sie trotzdem nie gewesen, nur eine Anhängerin der CDU. „Und er war unser Bundeskanzler.“ Nun wird sie es sein, die das politische Erbe des großen Europäers verwaltet, rund 400 Aktenordner, die der Adenauer-Stiftung zwar versprochen sind, aber noch in Ludwigshafen liegen. Was den historischen Nachlass angeht, hat Kohl sie als Alleinerbin eingesetzt – und irgendwann, auch das verrät sie im Stern, wird sie selbst ihre Sicht der Dinge „seriös in die Öffentlichkeit bringen“.
Auch Brandt wurde vor seinem Tod abgeschottet
Die Situation erinnert, ein wenig zumindest, an die nach dem Tod von Willy Brandt. Auch er hatte mit Brigitte Seebacher-Brandt eine zweite, deutlich jüngere Ehefrau, die ihren Mann in den letzten Jahren regelrecht abschottete. Auch ihr wurde vorgeworfen, sie beanspruche die alleinige Deutungshoheit über dessen Lebenswerk. Anders als bei Kohls jedoch wurde die schmutzige private Wäsche im Hause Brandt nicht unablässig in aller Öffentlichkeit gewaschen. Zu einem mittleren Eklat kam es erst, als Brandts erste Frau Rut nicht zu dessen Beerdigung eingeladen wurde, angeblich auf Betreiben der Neuen.
Zitate zum Tod Helmut Kohls
Der Tod des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) hat in Deutschland und international Trauer aufgelöst. Reaktionen:
"Es ist ein wirklich großer Deutscher und vor allem ein großer Europäer gestorben."
Außenminister Sigmar Gabriel, SPD
"Der ewige Kanzler und große Europäer geht. Seine Verdienste um die Deutsche Einheit bleiben. Wir trauern um Helmut Kohl."
Justizminister Heiko Maas, SPD
"Ein großer Europäer ist von uns gegangen."
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir
"Helmut Kohl war die Verkörperung eines geeinten Deutschland in einem geeinten Europa. Als die Berliner Mauer fiel, war er der Lage gewachsen. Ein wahrer Europäer."
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
"Mit Helmut Kohl bin ich groß und politisch flügge geworden. Bei allem Streit: er war ein überzeugter Europäer. Möge er in Frieden ruhen!"
Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt
"In Gedenken an Helmut Kohl habe ich die Europaflaggen vor den europäischen Institutionen auf Halbmast setzen lassen."
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker
"Wir trauern um den Kanzler der Einheit, Ehrenbürger Europas, unseren ehemaligen Ministerpräsidenten, CDU-Landesvorsitzenden. Ein großer Politiker."
CDU-Vize Julia Klöckner
"Helmut Kohl hat den Moment erkannt, in dem es möglich war, das Land wieder zu vereinen und zugleich ins Herz Europas zu führen. Das war ein Meisterstück an politischem Instinkt und Tatkraft. Sein Tod ist ein großer Verlust. Für die CDU wird er immer ein Fixpunkt bleiben."
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, CDU
"Von Helmut Kohl habe ich Außen- & Sicherheitspolitik gelernt. Ich habe Helmut Kohl tiefen Dank abzustatten. Kohl-Doktrin lehrt wir Deutsche dürfen die kleinen und mittleren Staaten nie vergessen."
Agrarminister Christian Schmidt, CSU
"Wir verdanken Helmut Kohl unendlich viel: Für unsere Freiheit, für unsere Einheit, für unser Europa!"
Kanzleramtsminister Peter Altmaier, CDU
"Die CDU Deutschlands trauert um einen großen deutschen Europäer. Danke Helmut Kohl. Für die Einheit. Für Europa."
CDU-Generalsekretär Peter Tauber
"Mit tiefer Trauer erfuhr ich vom Tod Helmut Kohls, einem herausragenden deutschen Politiker, einem der Initiatoren der Wiedervereinigung Deutschlands."
Ukrainischer Präsident Petro Poroschenko
"Helmut Kohl ist gestorben. Sein Engagement für Europa bleibt unvergessen. RIP"
Grünen-Politiker Volker Beck
"In tiefer Trauer um einen großen Deutschen und einen großen Europäer."
Steffen Seibert, Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel
Kohl ist nach Informationen der Bild am Sonntag im Wohnzimmer seines Hauses aufgebahrt, wo eigens eine Kühlung installiert wurde. Als sein langjähriger Fahrer Ekkehard Seeber ihn am Wochenende noch einmal kurz sehen will, ist es wieder Diekmann, der an die Tür kommt, den 79-Jährigen aber nicht zu Kohl lässt, weil dort gerade die Bestatter zu tun hätten. Seeber und seine Frau, die keine zwei Kilometer entfernt wohnen, haben sich lange aufopferungsvoll um die Kohls gekümmert. Gesehen aber hat der getreue „Ekki“ seinen langjährigen Chef zum letzten Mal im Jahr 2008. In diesem Jahr heiratet Helmut Kohl zum zweiten Mal. Seine beiden Söhne informiert er per Telegramm.