Spiegel online: Und die geringe Wahlbeteiligung von nur rund 61 Prozent zeigt deutlich, was die Wähler davon halten, wenn sie eigentlich nur darüber abstimmen sollen, wer in einer Großen Koalition die Hosen anhaben darf. Auch der starke Einzug der Piraten in den saarländischen Landtag mit 7,5 Prozent zeugt von dieser Bürgerfrustration. Ihre Stimmen sammelten die Stand-up-Politiker auch bei SPD- und CDU-Wählern ein, die über den Wahlkampf der Großen um den Chefposten verärgert waren. Aber vor allem punkteten sie bei einer Gruppe, die die sogenannten Volksparteien meist sträflich links liegen lassen: Etwa 28 Prozent der Piratenwähler kommen aus dem Lager der Nichtwähler. Für die Zukunft zeigt das: Die Partei könnte auch bei anderen Wahlen zum Sammelbecken der Enttäuschten werden.
Süddeutsche Zeitung: Im Saarland zeigen sich bundespolitische Trends auf kleinem Raum: Da ist zum einen die große Koalition, die CDU und SPD dort anstreben. Da ist zum anderen der superbe Erfolg der Piratenpartei. Erfolgreiche Parteien entstehen heute viel schneller als früher. Weil bald Ostern ist, darf man es so sagen: Das Nest der Politik wird bunter. Es ist ein Piratennest.
Leipziger Volkszeitung: Ein Sozialdemokrat, der nur im Paket der großen Koalition zur Regierungsverantwortung bereit ist, stellt eben keine Alternative dar. Zumindest dann nicht, wenn die CDU als die bessere sozialdemokratisierte Volkspartei daher kommt, sich nicht (mehr) auf Gedeih und Verderb an die Fast-nicht-mehr-da-Partei Deutschlands, die FDP klammert, und politisch nach fast überall offen erscheint. Die abgeleiteten, uniform wirkenden politischen Größen sind raus. Davon haben in besonderer Form die Piraten profitiert. Sie sind das Überraschungs-Ei, die politische Resterampe für die, die nicht mehr wissen wohin mit ihrer Stimme.
Der Tagesspiegel (Berlin): Die SPD hat es wieder nicht geschafft. Also jetzt im Saarland nicht, und das zum wiederholten Mal unter Heiko Maas. Dabei ist der doch nett und kompetent. Aber er war der Amtsinhaberin politisch wohl zu ähnlich, mitsamt seiner Partei. Was das der SPD im Bund sagt? Sie gilt nicht mehr als das zu wählende Original, wenn die CDU sozialdemokratisch wird. Das bisschen Saarland ist nämlich überall.
Mindener Tageblatt: Erstaunlich ist das doch recht schwache Abschneiden der Linken, die immerhin unter ihrem Star Lafontaine ins Feld gezogen waren. Auch die Grünen mussten Federn lassen. Ihnen scheint das Jamaika-Experiment nicht allzugut bekommen zu sein, was man in Berlin aufmerksam registrieren dürfte. Phänomenal schließlich ist der nun schon zweite deutliche Parlamentseinzug der Piraten, die in der aktuellen Gemengelage offenbar das Zeug zur neuen Protestpartei haben. Noch kann niemand erkennen, wie sie sich in der praktischen Politik schlagen, weshalb wohl auch in den nächsten beiden Wahlgängen auf sie gewettet werden kann. Spätestens danach wird man dann auch wissen, wie sie wirklich ist: die politische Stimmung im Lande. Gut möglich, dass es zu weiteren Auflagen des schwarz-roten Notbehelfs kommt.
Main-Echo (Aschaffenburg): 61 Prozent Wahlbeteiligung heißt, dass 488.000 Bürger über einen Landtag und eine Regierung (mit den entsprechenden Kosten) entschieden haben. Irrsinn hoch zehn! Unser föderales System gerät nicht ins Wanken, wenn sich Mini-Bundesländer mit einem Nachbarn zusammenschließen. Kramp-Karrenbauer und Maas haben in einer handlungsstarken großen Koalition die Chance zu zeigen, dass es ihnen nicht um Besitzstandswahrung geht, sondern dass sie den kleinen Landstrich, der seine Zugehörigkeit schon einige Male wechseln musste, zukunftsfähig machen wollen.
Kölner Stadt-Anzeiger: Die Krise hat die Wähler zermürbt. Offenbar begegnen sie dem nicht unbedingt mit der Flucht ins Stabile, sondern mit der Lust am politischen Rausch - frei nach dem Piratenlied-Refrain "und 'ne Buddel voll Rum". Für die etablierten Parteien ist das mühsam, vielleicht sogar schädlich. Im Saarland ist das Experiment mit der politischen Farbkombination schwarz-gelb-grün gescheitert. Die Wähler könnten die Parteien künftig allerdings dazu zwingen, noch ganz andere Farbenspiele zu versuchen. Theoretisch ist damit der Demokratie gedient. Dass es hilft, die anstehenden Probleme zu lösen, ist doch eher zweifelhaft. An der Saar mag die große Koalition darum nützlich sein. Als Zaubermittel gegen die auseinanderlaufende Wählerschaft taugt sie nicht. Die SPD weiß das seit Sonntag genaue
Abendzeitung (München): Die SPD hat weniger stark profitieren können als gedacht - es gibt halt jetzt ein bisschen viele sozialdemokratische Parteien im Angebot. Aber die FDP, die dachte, dass sie genau deswegen als Kontrastpartei eine Chance hat, wurde erst recht zerbröselt. Die einzigen, die von der zunehmenden Verwechselbarkeit der Großen profitiert haben, sind die Piraten: Und bis die sich - bei allen erfrischenden Prozeduren - sortiert haben, was sie eigentlich wollen, wird schon eine Weile vergehen.
Main-Post (Würzburg): Nach Berlin ziehen die Piraten jetzt auch im Saarland ins Parlament. Offenbar sammeln jetzt sie frustrierte Protestwähler ein. Dabei sind die Piraten in erster Linie gar keine Protestpartei, sondern das Abbild eines Teiles unserer Gesellschaft, dessen Haltung vor allem darin besteht, zu vielen wichtigen Themen gar keine Haltung zu haben. Dafür aber eine sehr feste und selbstbewusste Position bei den Themen, die einen selbst und unmittelbar betreffen.
Kieler Nachrichten: Selbstredend: Das Saarland hat in erster Linie über die Landespolitik abgestimmt. Aber der Absturz der Liberalen, deren Führungsquerelen den Bruch der Jamaika-Koalition ausgelöst hatten, setzt bundesweit ein Signal. Unter zwei Prozent, das ist das Niveau einer Splitterpartei. Wer mag da noch glauben, dass Kubicki und Co gegen den Trend der herbeigeredete Wahlerfolg gelingt? Dass parallel die Piraten als freiheitsliebende Protestler abräumen, macht das liberale Desaster nur noch schmerzhafter.
Cellesche Zeitung: Die Liberalen scheinen sich langsam aus der deutschen Parteienlandschaft zu verabschieden. Doch für Ersatz ist schon gesorgt. Die Piraten befinden sich heute möglicherweise da, wo die Grünen vor 20 bis 30 Jahren standen. In diesem Fall haben die Newcomer eine große Erfolgsgeschichte vor sich. Zunächst einmal müssen sie sich - wie früher die Grünen - von der Ein-Themen-Partei zu einer politischen Kraft entwickeln, die zu allen politischen Bereichen überzeugende Vorschläge macht.
Stuttgarter Zeitung: In Berlin gelang den Piraten der erste Einzug in ein Landesparlament. Nun haben sie gezeigt, dass sie mit ihrem unkonventionellen Politikangebot nicht nur in einem städtischen Umfeld stark sind, sondern sogar in einem (wenn auch kleinen) Flächenland reüssieren können. Sollten sie in den anstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen Vergleichbares schaffen, werden die Piraten für die Bundestagswahl 2013 ein ernst zu nehmender Faktor. Dann hätten sie das Zeug, alle bisherigen Planspiele für die Regierungsbildung im Bund obsolet zu machen. Die klassischen Zweierbündnisse eines Großen mit einem Kleinen hätten mit den Piraten im Bundestag wohl keine Chance mehr: weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün. dpa/afp