Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Pressestimmen: Hohe Erwartungen an Joachim Gauck

Pressestimmen

Hohe Erwartungen an Joachim Gauck

    • |
    «Ich werde mit all meinen Kräften und meinem Herzen "Ja" sagen zu der Verantwortung, die Sie mir heute gegeben haben.» sagte der neue Bundespräsident Joachim Gauck. Foto: Hannibal dpa
    «Ich werde mit all meinen Kräften und meinem Herzen "Ja" sagen zu der Verantwortung, die Sie mir heute gegeben haben.» sagte der neue Bundespräsident Joachim Gauck. Foto: Hannibal dpa

    Als erster Ostdeutscher ist der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck zum neuen Staatsoberhaupt gewählt worden. Die Bundesversammlung in Berlin kürte den 72-Jährigen mit großer Mehrheit zum Nachfolger von Christian Wulff. Gauck erhielt gut 80 Prozent der Stimmen. Allerdings verweigerten ihm mindestens 103 Delegierte aus dem eigenen Lager ihre Unterstützung. Medien befürchten, die Erwartungen an den neuen Bundespräsidenten könnten zu hoch gesteckt sein.

    Das Hamburger Abendblatt etwa schreibt zu Gauck: "Der Vertrauensvorschuss an den 72-Jährigen ist Segen und Fluch zugleich. Zwei Drittel der Deutschen erwarten, dass Joachim Gauck sich als Bundespräsident für sozial Schwache einsetzen wird. 67 Prozent rechnen damit, dass er den Parteien deutlich seine Meinung sagen wird. Drei Viertel wünschen sich, dass er sich vordringlich mit den Themen Freiheit und Familie beschäftigen wird, 65 Prozent erwarten ein Engagement zur Bekämpfung der Finanzkrise. Dieser Mix an Erwartungen zeigt zweierlei: Die Deutschen wünschen sich eine Instanz wie den Bundespräsidenten, die Tacheles zu reden vermag. Zugleich aber ist klar, dass er es nicht allen Recht machen kann."

    Die Heilbronner Stimme:"Nach Monaten eines oftmals unwürdigen Schauspiels um das Staatsoberhaupt in Schloss Bellevue gilt es nun, dem Amt seine Würde wiederzugeben. Die Suche nach dem kleinsten politischen Nenner hat ausgedient. Joachim Gauck wird unbequem sein und dabei vor allem die Interessen der Bürger ernst nehmen. Von diesem Bundespräsidenten wird mehr verlangt als von vielen seiner Vorgänger. Es spricht einiges dafür, dass Joachim Gauck diesen Ansprüchen gerecht wird. Es war, wie der neue erste Mann im Staat zu Recht sagte, ein schöner Sonntag."

    Das Offenburger Tageblatt schreibt nach der Gauck-Wahl: "Joachim Gauck wird von den Bürgern nun genau beobachtet werden, zumal er ihr Wunschkandidat für den Posten war. Man wird ihm zuhören, und wenn die Bevölkerung ihm zuhört, müssen das mit Blick auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr auch die Politiker in Berlin tun. Das ist die Chance, die Gauck nutzen muss."

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Das Nachrichtenportal Spiegel Online betont, wie wichtig das Amt des Bundespräsidenten für Deutschland ist: "Die große Aufmerksamkeit, die die Deutschen der Debatte um Christian Wulff geschenkt haben, der Streit um seine Nachfolge und die Nominierung von Joachim Gauck zeigen: Der Bundespräsident ist wichtig, die Bürger interessieren sich für ihr Staatsoberhaupt. Er wird gebraucht, ganz altmodisch: als Vorbild, als moralische Instanz(...).Vielleicht sollten all jene, die Gauck nun mit Heilsbringer-Hoffnungen bestürmen, mal kurz die Luft anhalten und dem armen Mann ein bisschen Zeit zum Atmen geben. Er ist ja auch nur ein Mensch."

    Das Handelsblatt aus Düsseldorf kommentiert: "Gewiss doch: Jetzt folgt erst einmal spontane Erleichterung dem langen Überdruss. Doch die Frage bleibt: Wozu braucht diese Republik einen Präsidenten, was kann sie von einer repräsentativen Figur an geistiger Führung erwarten? Es gibt nur einen, der diese Frage füglich beantworten kann: Joachim Gauck. Allein durch seine Person wird er belegen müssen, was die Kanzlerin gleich zweimal nicht an ihrem Präsidentenreißbrett hat finden können: Die Bundesrepublik braucht einen Bundespräsidenten, der gerade in seiner Machtlosigkeit die Mächtigen Moral im Amt und Loyalität gegenüber dem Land lehrt. Die Amtszeit des einstigen Bürgerrechtlers muss die Antwort geben. Im Glücksfall gilt sie über seine Amtszeit hinaus." 

    Die Eßlinger Zeitung ist der Meinung: "Wer Gauck vorwirft, das Thema Freiheit sei das Einzige, wofür dieser stehe, dem sei entgegnet: Von seinem Vorgänger wusste man vor seiner Wahl allenfalls, dass er ein einigermaßen erfolgreicher niedersächsischer Machtpolitiker war." dpa, AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden