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Pressestimmen: "Günter Grass hätte schweigen sollen"

Pressestimmen

"Günter Grass hätte schweigen sollen"

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    Ein Blick auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch mit einem Foto des Schrifstellers Günter Grass.
    Ein Blick auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch mit einem Foto des Schrifstellers Günter Grass. Foto: dpa

    So mancher Schriftsteller hat in seinen späteren Lebensjahren politische Gedichte verfasst, Harold Pinter zum Beispiel im Jahr 2003 aus Anlass des Irak-Krieges. (...) Günter Grass war Mitglied der Waffen-SS. Ist er eine geeignete Person, solcherart Gedichte zu schreiben? Gerade jemand, der die Uniform der Waffen-SS getragen hat, ist eine Art Erfahrungsexperte auf dem Gebiet der Bedrohung des Weltfriedens. Dass das Gedicht an sich nicht besonders gut ist, hat mit dem Genre zu tun, es ist Agitprop. de Volkskrant (Niederlande)

    Wenn sich Grass schon anmaßt, moralische Instanz zu spielen, warum gerade, wenn es um Israel geht? Dieses Land ist gewiss nicht das einzige, das den "brüchigen Weltfrieden", wie Grass pathetisch schreibt, gefährdet. Und noch gewisser werden in anderen Ländern des Nahen Ostens die Menschenrechte ärger verletzt. Grass ist freilich nicht der einzige politische Interessierte in Deutschland (und Österreich), der sich obsessiv mit Israel befasst, der einen Gutteil seines Protestpotenzials diesem Land widmet. Der - wie Grass in einer besonders perfiden Passage - dem Staat Israel vorwirft, ein Volk (diesfalls das iranische) "auslöschen" zu wollen.  Man kann an der Politik Israels einiges kritisieren. Aber als Deutscher, der noch dazu in das für den Holocaust verantwortliche Regime verflochten war, sollte man den Anstand besitzen, besonders behutsam über den Staat zu sprechen, den sich Juden aufgebaut haben. Und auch einmal einfach zu schweigen. Günter Grass hätte schweigen sollen. Die Presse (Österreich)

    Günter Grass hat große Meriten als Literat, der sich politisch einmischt. Doch seine jüngste Intervention zeugt vor allem von politischer Inkompetenz. Der Autor verkennt die komplizierte Realität in Nahost ganz und gar. Ein iranischer Atomunterhändler hat soeben dargelegt, dass sein Land kurz vor der Bombe stehe. Wie kann Grass dann die Alarmrufe internationaler Experten als völlig unbewiesene Behauptungen abtun? Irans Präsident Ahmadinedschad hat Israel immer wieder mit der Auslöschung gedroht. Wie kann Grass das als bloßes Maulheldentum bezeichnen - obwohl er als Schriftsteller wissen müsste, wie schnell Verbalattacken in furchtbaren Krieg umschlagen können? Salzburger Nachrichten (Österreich)

    Wer der Waffen-SS angehört hat, sollte vorsichtiger in seinen Urteilen sein. Ist es möglich, dass die iranischen Drohungen und das Vorhaben, die Atombombe zu bauen, um den Staat Israel auszulöschen, Grass nicht dazu bringen, sich an den antijüdischen Hass zu erinnern, der doch genau dieses doppelte "S" beherrschte? Ist es möglich, dass diese ganze Entrüstung des Günter Grass sich gegen die Bewaffnung des Staates Israel richtet, nie gegen den "gängigen" Antisemitismus, der in Europa das Blutbad unter jüdischen Kindern in Toulouse preist? Ein Gedicht reicht nicht aus, um soviel Unsensibilität zu kaschieren. Corriere della Sera (Italien)

    Günter Grass beschuldigt den Staat Israel, einen Angriffskrieg gegen Iran zu planen. Sein Gedicht steckt voller Übertreibungen, die für den Schriftsteller allerdings typisch sind. Der 1999 empfangene Literaturnobelpreis verwandelte ihn endgültig zum schreibenden Republikaner. Als solcher irrt Grass zwar immer wieder, doch der Irrtum gehört zum Meinen. sueddeutsche.de

    Israelis als Kriegstreiber, "Antisemitismus" als Totschlagargument: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein prominenter Intellektueller so klischeehaft gegen Israel zu Felde gezogen wie Günter Grass. Spiegel Online

    So denkt ES in ihm: Günter Grass schreibt ein Gedicht über Israel, das Sigmund Freud jubeln ließe. Denn es gibt tiefe Einblicke in sein Unterbewusstsein. (...) Der neue (oder abgeleitete) A., wie er aus dem Grass-Gedicht quillt, ist komplizierter, weil er sich aus einem Unterbewusstsein speist, das von mächtigen Tabus – Scham und Schuldgefühle – eingezwängt wird. Aber das Unbewusste will raus, wie Freud lehrte. Die Wege öffnen die Heuchelei und die Unredlichkeit. Zeit Online

    Ach, Grass. Zu fürchten ist, zu befürchten auch, dass sich hier einer um den Ruhm schreibt, wenigstens um den Ruf, dass er was zu sagen hätte. Weil er die Weisheit des Alters hätte. Oder weil er eine moralische Instanz wäre. So ist es nicht. Seine Worte sind ein Schlag gegen moralische Integrität. Weisheit spricht aus seinen Worten nicht; er wägt nicht, er weiß nicht. Was übrig bleibt? Das  Alter. Und dass er Willy Brandt gut kannte. Und selbst das ist  lange her. Tagesspiegel

    Was da angeblich gesagt werden musste, wäre besser ungesagt geblieben. Politisch ist es Unfug. Das Urteil über die  literarische Qualität überlassen wir der Literaturkritik. Aber erklären kann wohl nur die Psychologie, warum ein alter Mann  glaubt, 'mit letzter Tinte' ein angebliches Tabu brechen zu  müssen,  das er sich und seiner Generation selbst auferlegt hat. Frankfurter Rundschau

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