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Presseschau: Afghanistan: "Der Einsatz ist verloren"

Presseschau

Afghanistan: "Der Einsatz ist verloren"

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    Erneut sind bei einem Anschlag in Afghanistan Bundeswehrsoldaten getötet worden. dpa
    Erneut sind bei einem Anschlag in Afghanistan Bundeswehrsoldaten getötet worden. dpa

    Nach dem Tod zweier Soldaten in Afghanistan und der Verletzung von Generalmajor Markus Kneip, Kommandeur der internationalen Schutztruppe ISAF in Nordafghanistan, wird wieder über den Einsatz am Hindukush diskutiert. Die Pressestimmen:

    "Der neue Tag": "Der Konflikt in Afghanistan eskaliert. Mit jedem Tag wird es schwieriger, den Angehörigen zu erklären, dass der Tod vielleicht doch einen Sinn haben könnte. Das gilt für die Soldaten, die nicht nach Afghanistan gegangen sind, um für das Vaterland zu sterben. Das gilt für die Afghanen, die bei den Luftschlägen mangels Zielgenauigkeit zu Opfern werden. Es gibt immer eine Grenze, ab der ein Militäreinsatz mehr schadet als nutzt. Mit ihren Fehlleistungen sind die Nato und die Isaf-Truppe auf bestem Wege, mehr Aufständische und Terroristen zu erzeugen, als sie je werden ausschalten können."

    "Bild": "Fast zehn Jahre in Afghanistan und über 50 tote deutsche Soldaten sind trauriger Anlass für eine Zwischenbilanz. Deutschland will schon bald die 'Sicherheitsverantwortung' für den Norden des Landes an die Afghanen übergeben. Die Realität: Nach zehn Jahren internationaler Unterstützung können die afghanischen Sicherheitskräfte nicht mal ein Treffen mit dem wichtigsten ausländischen General ausreichend schützen. Kluge Politik zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie erkennt, wann die Grenzen des Machbaren erreicht sind. Osama bin Laden ist tot, al-Qaida ist aus

    "Westdeutsche Zeitung": "Die Zeiten, in denen jedes Land sein Schicksal allein in die Hand nahm, sind vorbei. In Afghanistan wird heute das Recht und die Freiheit der westlichen Welt, aber auch der Menschen in Afghanistan verteidigt. Unter Einsatz des Lebens von jungen Deutschen, die unseren höchsten Respekt verdienen."

    "Rhein-Neckar-Zeitung": "Der Einsatz ist verloren. Es kann nur noch darum gehen bei  möglichst niedrigem Blutzoll diesen Einsatz zu beenden und bis  dahin in dem geschundenen Land eine einigermaßen haltbare  Sicherheitsstruktur aufzubauen. Doch die Taliban werden nach dem  geplanten Abzugsdatum Ende 2014 nicht aufhören. Deshalb müssen  wenigstens die gemäßigten Kräfte in einen Friedensprozess  eingebunden werden. Je früher, desto besser."

    "Die Welt": "Die Bundeswehr sollte nach diesem Anschlag nicht das Konzept  des 'partnering' mit afghanischen Sicherheitskräften aufgeben. (... ) Die Hintergründe dieses Anschlags müssen also aufgeklärt werden,  um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. Gleichzeitig sollte  sich Deutschland nicht beirren lassen. In den ersten Monaten des  Jahres bis zu diesem Anschlag war die Bilanz eher positiv, die  Anschlagsintensität der Taliban war im Norden erstmals seit Jahren  deutlich zurückgegangen. Die Extremisten stehen in vielen Gegenden  inzwischen erheblich unter Druck. Sie verlegen sich nun vermehrt  auf Selbstmordattentate gegen hochrangige afghanische  Persönlichkeiten, weil sie in der Fläche an Boden verlieren."

    "Stuttgarter Nachrichten": "Es kann in Afghanistan immer noch schlimmer kommen - das Blutbad vom Samstag ist ein Beispiel dafür. Ein Selbstmordattentäter hat sieben Menschen in den Tod gerissen, darunter zwei Bundeswehrsoldaten. Ein deutscher General ist verletzt - was psychologische Auswirkungen auf die Führung der Truppe hat und zeigt, dass die Taliban ihren Terrorkrieg beliebig verschärfen können. Es ist den Aufständischen einmal mehr gelungen, die Landesfürsten mitsamt dem Polizeiapparat zu verunsichern und die internationale Isaf-Truppe zum Überdenken ihrer Strategie zu zwingen."

    Ein trauriges, normales Wochenende

    "Mitteldeutsche Zeitung": "Es liegt ein traurig normales Wochenende in Afghanistan hinter uns - mit unbeabsichtigt getöteten Zivilisten, mit gezielt ermordeten Soldaten. Zu denken geben muss den Deutschen und ihren Partnern in der internationalen Koalition jedoch, dass sie ihren lokalen Verbündeten nach wie vor, womöglich sogar immer weniger über den Weg trauen können. Dass ein hochrangig besetztes Sicherheitstreffen (unter Beteiligung eines deutschen Generals) Ziel eines Anschlags werden konnte, zeigt, wie tief das afghanische Militär offenbar infiltriert ist. Und diese Armee soll Zug um Zug die Verantwortung im Land übernehmen."

    "Rhein-Neckar-Zeitung": "Der Einsatz ist verloren. Es kann nur noch darum gehen bei möglichst niedrigem Blutzoll diesen Einsatz zu beenden und bis dahin in dem geschundenen Land eine einigermaßen haltbare Sicherheitsstruktur aufzubauen. Doch die Taliban werden nach dem geplanten Abzugsdatum Ende 2014 nicht aufhören. Deshalb müssen wenigstens die gemäßigten Kräfte in einen Friedensprozess eingebunden werden. Je früher, desto besser."

    Militäreinsatz am Hindukush steckt in der Sackgasse

    "Märkische Allgemeine" : "Wie weiter in Afghanistan? Die Antwort auf diese Frage war schon vor dem Attentat von Talokan nicht einfach, und sie ist es danach noch weniger. Die afghanische Regierung und wohl auch der Westen sollten nun noch intensiver den Kontakt mit den Aufständischen suchen, um die Möglichkeit eines politischen Kompromisses auszuloten. Um schmerzhafte Kompromisse würde man dabei kaum herumkommen, doch rein militärisch ist der Konflikt mit den Taliban nicht zu gewinnen. Ein einseitiger Rückzug der Bundeswehr musss aber weiter ausgeschlossen bleiben, denn er wäre Verrat nicht nur an den Verbündeten, sondern auch an den vielen Afghanen, die auf eine freie und friedliche Zukunft für ihr Land hoffen."

    "Märkische Oderzeitung": "Wenn es noch eines Beweises bedurfte, in welcher Sackgasse der Militäreinsatz am Hindukusch steckt, dann dürfte er hiermit erbracht sein. Das Fazit ist ernüchternd: Zum einen ist die Bundeswehr nicht einmal in der Lage, sich selbst zu schützen. Die Taliban schaffen es sogar, bis in die Sicherheitszone um einen ISAF-General vorzudringen. Wie soll die Truppe da afghanische Männer, Frauen und Kinder schützen? Und wenn man den Gedanken weiterspinnt: Vermögen es die afghanischen Sicherheitskräfte, sich selbst zu schützen, wenn die Kontrolle schrittweise an sie übergeht?"

    Verlorener Posten?

    "Express": "Kämpfen unsere Soldaten in Afghanistan auf verlorenem Posten? Der mörderische Anschlag in Talokan zeigt, dass die Taliban inzwischen sogar in der Lage sind, in vermeintlich besonders geschützten Zonen zuzuschlagen. Da stellt sich die Frage, inwieweit den einheimischen Verbündeten noch zu vertrauen ist, wenn Teile von ihnen bereits von den Taliban unterwandert oder umgepolt worden sind. Hinzu kommt, dass die Allianz sich viele Sympathien bei der Bevölkerung verscherzt hat - durch Luftangriffe, bei denen immer häufiger Zivilisten sterben."

    "Münchner Merkur": "Wer ist der Feind? Wo steht er? Wie sieht er aus? Es sind drei entscheidende Fragen. Und weil niemand auf Seiten der Alliierten sie beantworten kann - und das seit zehn Jahren -, ist der Krieg des Westens gegen die Taliban, ihre Ideologie, ihren Terrorismus und das milliardenschwere Drogengeschäft zum Scheitern verurteilt. Er war es von Anfang an. Zumindest am Hindukusch. Die Alliierten und damit auch die deutschen Soldaten kämpfen gegen ein Phantom. Ein Phantom mit unendlich vielen Gesichtern und Erscheinungsformen." dpa/dapd/afp/AZ

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