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Präsidentenpoker: Der Unterschätzte

Präsidentenpoker

Der Unterschätzte

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    So sahen Kölner Karnevalisten FDP-Chef Philipp Rösler – als Hund an der Leine der Kanzlerin. Selbst einige seiner Mitarbeiter nannten ihn abschätzig „Fipsi“.
    So sahen Kölner Karnevalisten FDP-Chef Philipp Rösler – als Hund an der Leine der Kanzlerin. Selbst einige seiner Mitarbeiter nannten ihn abschätzig „Fipsi“. Foto: dpa

    Berlin Horst Seehofer hätte es wissen müssen. Vor zwei Jahren, im Streit um die Gesundheitsreform, hat er versucht, Philipp Rösler seine Pläne noch auszureden. Der vermeintliche Leichtmatrose aber gab nicht nach, setzte nach dem Gespräch mit dem CSU-Chef sein unschuldigstes Lächeln auf – und zitierte eine alte asiatische Weisheit: „Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht.“

    Angela Merkel hätte es ahnen können. „Philipp, komm zur Vernunft“, soll sie ihn beschworen haben, nachdem die FDP sich zu Joachim Gauck als Präsidentschaftskandidaten bekannt hatte. Rösler jedoch lässt sich auch von einer wütenden Kanzlerin nicht umstimmen, die ihm lautstark mit dem Bruch der Koalition droht. Das Bild vom biegsamen Bambus hat er damals nicht zufällig gewählt. Bambusholz ist besonders hart und zäh.

    Von seiner zähen Seite hatten die meisten Liberalen Philipp Rösler bis zum vergangenen Sonntag allerdings noch nicht kennen gelernt. Im Gegenteil. Nach dem tiefen Sturz auf Umfragewerte um die drei Prozent stand der Neue schon nach einem knappen Jahr im Amt wieder in der Kritik, und selbst wohlmeinende Freidemokraten fragten sich, wie lange das gut gehen könne: eine Partei, die um ihre Existenz kämpft – und ein Vorsitzender, der nichts dagegen unternimmt oder zumindest nichts Erkennbares. Einige Abgeordnete und Mitarbeiter nannten Rösler, wenn sie über ihn redeten, nur noch abschätzig den „Fipsi“ – so wie der Entertainer Stefan Raab, der aus dem Vizekanzler in seiner Sendung eine Lachnummer machte.

    Seit Sonntag, 15.43 Uhr, ist Philipp Rösler kein politisches Weichei und keine Lachnummer mehr, sondern der Mann, der Angela Merkel herausgefordert hat. Der bereit war, die Regierung platzen zu lassen. Der im entscheidenden Moment hoch gepokert und gewonnen hat. Der gezeigt hat, dass die schon totgesagte FDP noch lebt und tatsächlich etwas zu bewegen vermag. Joachim Gauck ist jetzt auch sein Präsident, wenngleich Rösler nur zu genau weiß, dass er das nicht zu oft und zu laut sagen darf. Der Burgfriede in der Koalition, von Angela Merkel durch ihr plötzliches Einverständnis mit Gauck kühl erzwungen, ist noch etwas brüchig.

    Als Rösler sich am Freitagabend mit Angela Merkel und Horst Seehofer trifft, um einen Nachfolger für Christian Wulff zu suchen, hält er sich noch bedeckt. Andreas Voßkuhle, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, könnte er akzeptieren. Der aber sagt ab – und plötzlich hat der FDP-Chef ein Problem. Mit dem Kirchenmann Wolfgang Huber oder dem früheren Umweltminister Klaus Töpfer, den neuen Favoriten der Union, darf er seiner Partei nicht kommen, dazu sind die Widerstände zu groß. Er spürt: Er braucht jetzt einen neuen Namen. Oder einen alten.

    Mit Gauck, das weiß Rösler, haben seine Liberalen kein Problem, wohl aber die Union. Mehrfach, sagt er mittlerweile, habe die Kanzlerin deshalb in einem „dramatischen Zwischenspiel“ gedroht, die Koalition zu beenden. Als Hasardeur aber fühlt er sich deshalb nicht: „Wir haben unsere klare Position für einen überparteilichen Kandidaten deutlich gemacht und waren bereit, dafür zu kämpfen.“ Ob die Operation Präsident gelingt, weiß Rösler bis zum Schluss nicht: Dass die Union Gauck notgedrungen akzeptiert, erfährt der Vizekanzler entgegen den üblichen Gepflogenheiten nicht vor dem Gespräch mit der SPD und den Grünen, sondern gemeinsam mit den Kollegen der Opposition. Es ist Angela Merkels Art zu zeigen, was sie von seinem Vorgehen hält.

    Ob der vor kurzem noch so harte Herr Rösler deshalb schon wieder wie weichgespült klingt? Das Vertrauen in der Koalition, beteuert er jetzt, sei nicht zerstört. „Dazu gäbe es auch keinen Grund.“ Mit seinen 38 Jahren ist der Wirtschaftsminister zwar einer der Jüngsten im Kabinett, aber lange genug in der Politik, um zu wissen, dass die Kanzlerin ihn kein zweites Mal unterschätzen wird. Und dass alles seinen Preis hat in der

    Für einen Augenblick sieht es deshalb am Sonntag so aus, als bekomme Rösler plötzlich Angst vor der eigenen Courage. Nachdem die Kanzlerin sich in Rage geredet hat, verlässt er mit Fraktionschef Rainer Brüderle noch einmal kurz den Raum, um mit einigen Präsidiumsmitgliedern zu telefonieren. Er will sich absichern, sich nicht verzocken. Die FDP-Granden allerdings sind sich längst einig: Rösler, sagt einer von ihnen, sei klar gesagt worden, dass er sich von der Union keinen Präsidenten diktieren lassen durfte. Kurz: „Es gab kein Zurück mehr.“

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