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Jerusalem-Streit: Präsident Erdogan heizt den Nahost-Konflikt an

Jerusalem-Streit

Präsident Erdogan heizt den Nahost-Konflikt an

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    Der türkische Präsident Erdogan nannte Trumps Schritt, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, äußerst falsch, provokativ und rechtswidrig.
    Der türkische Präsident Erdogan nannte Trumps Schritt, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, äußerst falsch, provokativ und rechtswidrig. Foto: Emrah Yorulmaz, dpa

    Von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit OIC nahm man im Westen bislang meist nur in Fachkreisen Notiz, doch nun rückt sie mit einem Schlag ins Zentrum der Weltöffentlichkeit. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte als derzeitiger Ratsvorsitzender ein Zwar war Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels von muslimischen Nationen kritisiert worden, allerdings in sehr unterschiedlicher Schärfe. Viele Staaten wollen es sich in der Streitfrage nicht mit den USA verderben.

    Bei dem Treffen in einem Konferenzzentrum in Istanbul versuchte Erdogan deshalb, die Delegierten auf eine scharfe Linie gegenüber den USA einzuschwören. Er nannte Israel einen „Besatzungsstaat“ und einen „Terrorstaat“ und warf Washington vor, nicht an der Seite der friedliebenden Kräfte im Nahen Osten zu stehen. Das mache Frieden unmöglich. „Das Schicksal Jerusalems kann nicht einem Land überlassen werden, das sich von Blut ernährt und seine Grenzen erweitert, indem es Kinder, Zivilisten und Frauen brutal ermordet“, gab Erdogan den Scharfmacher.

    OIC-Staaten erklärten Trumps Jerusalem-Entscheidung für falsch

    Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betonte, die USA hätten sich als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern disqualifiziert. Trump wolle Jerusalem den Israelis zum „Geschenk“ machen, ganz so, als ob der amerikanische Präsident allein über die Angelegenheit entscheiden könne. „Niemals“ wieder könnten die USA beim Friedensprozess eine Rolle spielen, sagte Abbas. Schon vor der Konferenz in Istanbul hatte der Palästinenserchef diese Haltung in die Tat umgesetzt, indem er ein Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence ausschlug, der in den kommenden Tagen in Nahost erwartet wird.

    Der Nahost-Konflikt

    Israel, Palästinenser, Westjordanland, Gaza-Streifen, Hamas: Was Sie über den Nahost-Konflikt wissen müssen.

    1947 beschlossen die Vereinten Nationen, das von den Briten besetzte Palästina zu teilen - in einen arabischen und einen jüdischen Teil. Israel akzeptierte den Plan, die arabische Seite lehnte ihn ab.

    1948 proklamierte David Ben Gurion dort die Gründung des Staates Israel.

    Nur einen Tag später griffen Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und der Irak den neuen Staat Israel an. Dieser konnte sich nicht nur verteidigen, Israel eroberte auch arabische Gebiete, die es bis heute besetzt hält.

    Bis heute streiten Israel und Palästinenser um diese besetzten Gebiete, darunter das Westjordanland (englisch: Westbank) mit Ost-Jerusalem und den Gazastreifen.

    1987 begann die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten einen Aufstand gegen die israelische Besatzung, die sogenannte Intifada. 2000 begann die zweite Intifada, diesmal mit noch mehr militärischer Gewalt. Israel reagierte ebenfalls mit militärischen Mitteln.

    Ein gewaltiger Streitpunkt ist auch der israelische Siedlungsbau in den besetzten Gebieten. Auf den Golanhöhen, in Ost-Jerusalem und im Westjodanland schaffen die Israelis immer neue Siedlungen - und damit Tatsachen. Für die Palästinenser blieben diese Siedlungen Provokationen.

    Den Kampf gegen Israel führt vor allem die Hamas. Sie ist eine palästinensische Organisation mit dem Ziel, Israel durch Terror und Gewalt zu vernichten.

    Im Jahr 2005 räumten die Israelis den Gazastreifen.

    Die Hamas wurde 1987 gegründet. Seit 2007 stellt sie als politische Partei die Regierung des Gaza-Streifens.

    Zwischen Israel und Hamas kommt es immer wieder zur Eskalation von Gewalt. Im Sommer 2014 wurden israelische Städte mehrfach mit Raketen beschossen. Israel reagierte mit Luftangriffen.

    So weit wie Abbas wollen andere trotz der teilweise scharfen Rhetorik nicht gehen. In der Abschlusserklärung wird zwar mit großer Symbolik Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Palästinenser-Staates anerkannt. Allerdings hat dies die OIC schon früher längst beschlossen, ebenso die nun wiederholte Forderung an die internationale Gemeinschaft, Palästina als Staat und

    Doch anders als bei Trump gab es in dem Abschlusspapier keinerlei Festlegung auf Konkretes: Von einer Verlegung der Botschaften muslimischer Länder nach Ost-Jerusalem war keine Rede. Auch Erdogans Ankündigung, die Beziehungen der Türkei zu Israel abzubrechen, wurde nicht mehr erwähnt. Ohnehin lautet die Frage, wie viel die gemeinsame Haltung der OIC im politischen Alltag wert ist. Saudi-Arabien etwa, das als Hüterin der heiligen Städte Mekka und Medina sowie als treuer Partner der USA eine Schlüsselrolle spielt, geht offenbar eigene Wege.

    Erdogans Auftreten wird in den USA mit immer größerem Misstrauen verfolgt

    Noch während die Konferenz von Istanbul tagte, bestätigte der israelische Geheimdienstminister Yisrael Katz gegenüber der Zeitung Haaretz, er habe den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Israel eingeladen. Saudi-Arabien könne beim Versuch zur Wiederbelebung des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses eine entscheidende Funktion einnehmen, sagte er. Laut Medienberichten hat sich der Kronprinz bereits in der Vergangenheit mehrmals mit israelischen Regierungsvertretern getroffen.

    Chronologie: Nahost-Friedensgespräche

    November 2007: US-Präsident George W. Bush lädt den israelischen Regierungschef Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu einer Konferenz in Annapolis (US-Bundesstaat Maryland) ein. Vereinbart werden direkte Friedensgespräche, die innerhalb eines Jahres eine Zwei-Staaten-Lösung herbeiführen sollen. Die Initiative scheitert jedoch wenig später.

    November 2008: Nach einer neuen Eskalation der Gewalt treffen Abbas und Olmert in Jerusalem zusammen. Einen Monat später startet Israel im Gazastreifen seine umstrittene Militäroffensive «Gegossenes Blei». Rund 1400 Palästinenser sterben.

    September 2009: US-Präsident Barack Obama, Abbas und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einigen sich in New York auf eine Fortsetzung der unterbrochenen Friedensgespräche.

    September 2010: Netanjahu und Abbas nehmen die Gespräche in Washington wieder auf. Ziel ist eine Lösung, bei der Israel und ein künftiger Palästinenserstaat friedlich nebeneinander existieren sollen. Wenige Wochen später brechen die Palästinenser die Gespräche ab. Grund ist die Weigerung der israelischen Regierung, einen zehnmonatigen Baustopp in den Siedlungen zu verlängern.

    Januar 2012: Nach mehr als einem Jahr des Stillstands setzen sich Israelis und Palästinenser in der jordanischen Hauptstadt Amman wieder an einen Tisch. Die Unterhändler kommen über Vorgespräche jedoch nicht hinaus und können sich nicht auf Bedingungen für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen einigen.

    April 2012: Nach mehr als eineinhalb Jahren trifft Netanjahu wieder mit ranghohen palästinensischen Repräsentanten zusammen. Nach dem Gespräch mit Chefunterhändler Saeb Erekat und Geheimdienstchef Madschd Faradsch bekräftigen beide Seiten ihren Willen zum Frieden in Nahost.

    November 2012: In einer historischen Entscheidung erkennen die Vereinten Nationen Palästina als Beobachterstaat an - gegen den Widerstand der USA. International wächst der Druck auf beide Seiten, die Gespräche nun schnell wieder aufzunehmen. Die Ankündigung Israels, Tausende neue Wohnungen im besetzten Westjordanland zu bauen, löst Kritik aus.

    März 2013: Obama erhöht den Druck: Bei Besuchen in Ramallah und Jerusalem fordert er beide Seiten auf, die Gespräche fortzusetzen.

    19. Juli 2013: Zum Abschluss seiner sechsten Vermittlungsreise in fünf Monaten in den Nahen Osten kündigt US-Außenminister John Kerry den Durchbruch an. Israel und Palästinenser seien wieder zu direkten Gesprächen bereit.

    Diese Verbindungen entsprechen dem Kalkül der Trump-Regierung in Washington. Sie will eine neue Allianz aus Saudi-Arabien, anderen Golfstaaten und Israel bilden, um gegen die Machterweiterung des gemeinsamen Gegners Iran in der Region vorgehen zu können. Die OIC oder Erdogan, der in der islamischen Welt eine Führungsrolle anstrebt, kommen in diesen Plänen nicht vor. Im Gegenteil: Erdogans Auftreten wird in den USA mit immer größerem Misstrauen verfolgt.

    Lesen Sie auch: Dass Donald Trump Jerusalem anerkennt, ist kalkulierte Provokation

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