Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Porträt: Wie es Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten schaffte

Porträt

Wie es Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten schaffte

    • |
    Bis zuletzt machte Alexander Van der Bellen, der neu gewählte österreichische Bundespräsident, Wahlkampf.
    Bis zuletzt machte Alexander Van der Bellen, der neu gewählte österreichische Bundespräsident, Wahlkampf. Foto: Christian Bruna, dpa

    Der künftige österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat als Wirtschaftsprofessor das Rechnen gelernt. Diese Fähigkeit konnte er sich jetzt zunutze machen. Er hat auf dem Land um Wähler geworben. Dort, wo er in der ersten Stichwahl im Mai schlecht abgeschnitten hat. Nach Umfragen hatten dort viele Menschen das Gefühl, ihnen werde nicht zugehört, schon gar nicht von dem Stadtmenschen Van der Bellen. Das änderte der ältere Herr mit zahllosen Gesprächen.

    Alexander Van der Bellen bewies seine Heimatliebe

    Bereits im August machte sich der 72-Jährige zusammen mit seiner Frau und den Hunden „Chico“ und „Kita“ auf die erste Wanderung in seiner Heimat, dem Tiroler Kaunertal. Er gehe gern gemeinsam mit seiner Frau wandern, scherzte er gegenüber eingeladenen Journalisten damals. „Nur die Hunde sind schon so alt.“ Die erste Wanderung war bequem, nur drei Stunden lang bis auf 2200 Meter Höhe. Während der Zigarettenpause erzählte Van der Bellen von seiner Jugend in Tirol.

    Die Kaunertäler seien keine „Hinterwäldler“, sondern moderne und aufgeschlossene Leute, stellte er klar und bewies auf zahllosen Kirtagbesuchen (Kirchweih) und Erntedankfesten in den folgenden Wochen, dass er auch nichts gegen Trachtenjanker hat. Schließlich haben 140 Bürgermeister, organisiert vom ehemaligen EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler, für Van der Bellen geworben. „Seine Hinwendung zur Heimat hat sich ausgezahlt“, sagen die ersten Analysten am Wahlabend.

    Alexander Van der Bellen kam als Flüchtling nach Österreich

    Van der Bellen versteht es, die rot-weiß-rote Heimatliebe damit zu verbinden, dass seine Eltern selbst als Flüchtlinge nach Österreich gekommen waren. Sein Vater war Russe, seine Mutter Estin. Die ursprünglich aus Holland stammende Familie war im 19. Jahrhundert in den russischen Adelsstand erhoben worden. Vor der Oktoberrevolution war sein Großvater als Liberaler politisch im russisch-estländischen Grenzgebiet aktiv gewesen. Deshalb floh die Familie 1919 nach Estland und, nachdem Stalins Truppen 1940 in

    Alexander wurde 1944 in Wien geboren. Als die Rote Armee Ostösterreich eroberte, zog die Familie ins Kaunertal, später dann nach Innsbruck, wo die Kinder die Schule besuchten und der künftige österreichische Präsident zunächst studierte und dann auch lehrte.

    In Innsbruck geschah auch, was die FPÖ im Wahlkampf gegen ihn verwandte: Als 21-jähriger Student wählte Van der Bellen bei den Innsbrucker Gemeinderatswahlen die Kommunistische Partei, die damals für niedrigere Mieten warb. Van der Bellen selbst berichtet darüber in seinem Buch und die FPÖ griff es auf, um Ängste gegen ihn zu schüren. In der Tat hat der Vorwurf, kommunistisch orientiert zu sein, bei etlichen Wählern, die aus der bürgerlichen Mitte kommen, zunächst verfangen. Doch schließlich siegte wohl die Information in den zahlreichen TV-Duellen, wo Van der Bellen die Jugendsünde klarstellen konnte.

    Alexander Van der Bellen wirkt auf junge Österreicher "fad"

    Anstatt die Kommunisten wählte Van der Bellen zunächst unter dem Eindruck der Persönlichkeit Bruno Kreiskys die SPÖ. Von 1976 bis Anfang der 1990er Jahre lehrte er in Innsbruck und Wien Ökonomie und wurde zunächst Mitglied, dann 1994 Abgeordneter der Grünen. Obwohl er vielen der in Österreich eher fundamentalistisch orientierten Grünen zu wirtschaftsliberal war, wählten sie den oft ironischen Professor 1997 zum Partei- und 1999 zum Fraktionssprecher. In dieser Rolle führte er sogar Koalitionsverhandlungen mit dem ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel, die aber an Differenzen über den Eurofighter scheiterten. 2008 dankte Van der Bellen als grüner Spitzenpolitiker ab und stellte jetzt seine Mitgliedschaft ruhend. Auf manche junge Österreicher wirkt er manchmal „fad“ und wenig motiviert.

    Dass sich zahlreiche sozial- und christdemokratische Politiker für ihn aussprachen, liegt an dem breiten Wunsch, den populistischen Norbert Hofer als Bundespräsidenten zu verhindern. Van der Bellen, der schon einmal dachte, gewonnen zu haben, sagte am 23. Mai nach der ersten Stichwahl: „Es sind zwei Hälften, die Österreich ausmachen. Die eine Hälfte ist so wichtig, wie die andere. Ich könnte sagen, du bist so wichtig wie ich und ich bin gleich wichtig wie du. Und gemeinsam ergeben wir dieses schöne Österreich.“ Eine ganz einfache Rechnung.

    Mehr zum Thema:

    Österreicher wählen mit Van der Bellen Stabilität statt Wut 

    Hofer gesteht Niederlage gegen Van der Bellen ein

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden