Sean Spicer hat keinen leichten Job, aber nun hat er ihn sich selbst auch noch unnötig schwerer gemacht. Der 45-jährige Sprecher von Donald Trump hat viel Erfahrung im Umgang mit den Medien und genoss bei Journalisten in Washington eigentlich einen guten Ruf – doch der hielt nur bis zu seinem zweiten Arbeitstag unter dem neuen US-Präsidenten. In einer wütenden Stellungnahme beschimpfte Spicer die Medien wegen deren Berichterstattung über Trumps Amtseinführung. Und jetzt muss er sich fragen lassen, wer ihm noch etwas glauben soll.
Jeder Sprecher eines Politikers kann in einen Konflikt zwischen der Loyalität zu seinem Chef und der Wahrheit geraten; die meisten helfen sich, indem sie glatte Lügen vermeiden und stattdessen versuchen, die Realität im Sinne ihres Arbeitgebers zu interpretieren. Spicer dagegen warf den Medien vor, die Zahl der Zuschauer bei Trumps Vereidigung absichtlich kleingeredet zu haben. Die Zeremonie habe eine Rekordzahl von Zuschauern angezogen, sagte Spicer, obwohl das ganz offensichtlich nicht stimmte.
Dass Trump und seine Mannschaft den Verdacht haben, von den Journalisten schlecht behandelt zu werden, ist nicht neu. Trumps Wort vom „Krieg“ mit den Medien und Spicers Auftritt hoben das gespannte Verhältnis nun jedoch auf eine neue Ebene: Wenn die Regierung schon bei einer vergleichsweise trivialen Angelegenheit wie der Zuschauerzahl flunkert, wie sieht es dann erst bei ernsteren Themen aus? „Wie können Sie erwarten, dass wir Ihnen vertrauen?“, sagte die Moderatorin Joy Ried. Brian Fallon, ein früherer Sprecher von Hillary Clinton, forderte Spicer gar zum Rücktritt auf.
„Diesen Sean Spicer kenne ich nicht"
Washingtoner Insider sind vom Auftritt des Sprechers geschockt. Er kenne Spicer schon lange, schrieb Jonathan Weisman von der New York Times, aber: „Diesen Sean Spicer kenne ich nicht.“ Spicer hat sein ganzes Berufsleben als Pressesprecher verbracht, zuerst bei der US-Marine, dann im Kongress, beim Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses und bei der Parlamentsfraktion der Republikaner. Ehe er zu Trump wechselte, arbeitete der Vater zweier Kinder als Sprecher der Republikanischen Partei. Seine Frau spricht für den Verband der amerikanischen Biergroßhändler.
Präsidentenberaterin Kellyanne Conway nahm Spicer mit den Worten in Schutz, dieser habe nicht Lügen, sondern lediglich „alternative Fakten“ verbreitet – was die Sache nicht besser machte. Spicer selbst hatte vor einigen Wochen noch gesagt, als Präsidialamtssprecher dürfe man nicht lügen, denn damit zerstöre man die eigene Glaubwürdigkeit.
Genau das ist nun aber geschehen. Dabei hat Spicer noch so viel vor. Er will die Macht der etablierten Medien im Pressekorps des Weißen Hauses beschneiden und die Pressekonferenzen in der Regierungszentrale in einen neuen Saal verlegen, um mehr Journalisten Zugang zu verschaffen, vor allem für Vertreter konservativer Medien. Vorerst aber dürfte Sean Spicer andere Sorgen haben.