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Porträt: Joachim Gauck wird 80: Die Kanzlerin war gegen ihn als Bundespräsident

Porträt

Joachim Gauck wird 80: Die Kanzlerin war gegen ihn als Bundespräsident

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    Joachim Gauck war von 2012 bis 2017 Bundespräsident. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag.
    Joachim Gauck war von 2012 bis 2017 Bundespräsident. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Angela Merkel ist auf Hundert. Ob er die Koalition platzen lassen wolle, faucht sie den damaligen FDP-Chef Philipp Rösler an. Der aber ist bereit, auch diesen Preis zu bezahlen, um Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten durchzusetzen. Merkels Kandidaten, den ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer, lehnen die Liberalen ab: Zu schwach, zu altbacken, zu wenig Esprit auch. Notfalls, signalisiert Rösler der Kanzlerin, werde man Gauck eben mithilfe von Grünen und Sozialdemokraten zum Nachfolger des zurückgetretenen Christian Wulff wählen.

    Es ist ein turbulenter Februarabend im Jahr 2012, als die schwarz-gelbe Koalition für ein paar Stunden am Abgrund steht, weil die FDP gemeinsame Sache mit der Opposition macht. Am Ende aber fügt sich Angela Merkel, die den Freigeist Gauck partout nicht als Präsidenten will. Nach dem Treffen mit Rösler macht sie gute Miene zu einem Spiel, das sie nicht mehr gewinnen kann, und lobt den früheren Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde ebenso pflichtschuldig wie demonstrativ: „Dieser Mann kann uns wichtige Impulse geben.“ Ihre Regierung ist gerettet, das alleine zählt noch.

    Gauck vermittelte in der Thüringer Regierungskrise

    Joachim Gauck, der an diesem Freitag 80 Jahre alt wird, hat über die Art und Weise, wie er damals ins Amt kam, nie ein großes Gewese gemacht. Vermutlich haben die Umstände ihn eher amüsiert als geärgert. Humor hat er ja. Und überhaupt: Hat die Kanzlerin später nicht selbst gesagt, dass sie es begrüßen würde, wenn er noch eine zweite Amtszeit dranhinge? Das wollte er zwar nicht, weil er am Ende der ersten schon 77 Jahre alt war. Der Gauck jedoch, der heute Vorträge hält, Bücher schreibt oder sich mal kurz als Vermittler in die Thüringer Regierungskrise einschaltet, kann es mit dem Präsidenten Gauck an geistiger Agilität noch immer aufnehmen. Und manches, das weiß er nur zu genau, sagt sich ohne die Bürde eines Staatsamtes um einiges leichter als unter den Zwängen desselben.

    Sein Plädoyer für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“ zum Beispiel, ein Thema seines bislang letzten Buches, hätte er als Bundespräsident so vermutlich nicht gehalten: Zu harsch das Echo aus der einen oder anderen Ecke, zu vorhersehbar auch der Vorwurf, er mache damit doch nur die AfD salonfähig. Als Bürger Gauck aber muss Joachim Gauck mit seiner Meinung nicht diplomatisch hinterm Berg halten – und deshalb legt er im vergangenen Jahr im Interview mit unserer Redaktion noch einmal nach.

    Gauck plädiert für das Konservative

    Je nach Land, rechnet er da vor, hätten in den USA und Europa bis zu 44 Prozent der Menschen stabil konservative Vorstellungen. Sind das alles Rechtsextreme? Natürlich nicht. „Aber gerade in Bayern oder Baden-Württemberg vermisst ein großer Teil der Wählerschaft eine Union, die gesellschaftliche Veränderungen etwas kritischer betrachtet.“ Die CDU habe mit ihrem Weg in die Mitte zwar Wahlen gewonnen, räumt Gauck ein. „Geblieben aber ist bei vielen Konservativen ein kulturelles Unbehagen.“ Nicht jeder, der stramm konservativ ist, argumentiert er, ist deshalb schon eine Gefahr für die Demokratie. Im öffentlichen Diskurs aber hat er immer häufiger den gegenteiligen Eindruck: „Wir können nicht so tun, als würde gleich rechts von

    Es gibt in der deutschen Politik wenige Menschen, die das Wort so geschliffen einsetzen wie Joachim Gauck, so punktgenau und so provozierend klar. Selbst zu DDR-Zeiten hat er, der gelernte Pastor aus Rostock, sich eine innere Freiheit bewahrt, die im real scheiternden Sozialismus ihresgleichen suchte. Bei der nach ihm benannten Gauck-Behörde gab er den Opfern des Regimes ein Gesicht – und nach den Rücktritten seiner Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff dem ramponierten Amt des Bundespräsidenten das zurück, was Diplomaten gerne seine Würde nennen: Ein glänzender Redner und ein konsequenter Verfechter der Freiheit, unbestechlich in seinem Urteil und den Menschen dabei näher als die immer so kühl agierende Kanzlerin. Gauck war, wenn man so will, ein Bürgerpräsident im besten Sinne.

    Der Besuch bei Barack Obama war ein Höhepunkt für Joachim Gauck

    Im Oktober 2015 steht dieser Bürgerpräsident mit einem Lächeln im Gesicht in der Nachmittagssonne vor dem Weißen Haus. Mit seinem Besuch bei Barack Obama, sagt er stolz, habe sich für ihn gerade ein Lebenstraum erfüllt. Es ist die vielleicht emotionalste Reise seiner Amtszeit – und eine, auf die Gauck lange hingearbeitet hat, schließlich war vor ihm fast 20 Jahre lang kein Bundespräsident mehr im Weißen Haus. Die deutsche Einheit, neben der Freiheit sein zweites großes Thema, ist für Gauck nämlich nicht nur das Werk von Helmut Kohl und Michail Gorbatschow. Zu den Patronen der Einheit zählt Gauck auch den damaligen US-Präsidenten George Bush. So oder so findet er, dass Deutschland etwas mehr von dem unverkrampften Patriotismus der Amerikaner haben könnte, dieser Leidenschaft für das eigene Land. Aber das ist vielleicht ein Thema für das nächste Buch.

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