Sie spricht klar und direkt, in einem spitzen Tonfall und angetrieben vom Zorn, der in ihr brodelt. „Was, bitte, machen Sie mit der Knete der Franzosen?“, fragte Jacline Mouraud Mitte Oktober in einer Videoaufnahme, die sie ins Netz stellte und in der sie sich direkt an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron wandte. Eine „Hetzjagd auf Autofahrer“ würde veranstaltet: steigende Spritpreise, höhere Bußgelder und TÜV-Kosten, Radaranlagen überall. „Wohin steuert Frankreich, Herr Macron?“
Was die sorgfältig geschminkte 51-Jährige mit dem silbergrauen Haar wohl kaum geplant hatte: Ihr Video wurde seither millionenfach geklickt und sie als Gast in diverse Fernseh-Talkshows eingeladen. Mourauds Wut-Tiraden dienten als Hintergrundmusik für die Bewegung der „Gelbwesten“, die jetzt schon an drei Samstagen in Folge in ganz Frankreich demonstriert, mitunter auch randaliert haben.
Auslöser des Protests waren die steigenden Diesel- und Benzinpreise, die zumindest teilweise auf die Anhebung der Ökosteuer zurückgehen, generell hohe Lebenshaltungskosten und die Wut auf Macron, der die Not der „kleinen Leute“ übergehe. Es sind genau Mourauds Themen. Fehlten den dezentral organisierten „Gelbwesten“ stets eindeutige Vertreter, so machten die Medien die Bretonin zu deren Sprachrohr, tauften sie „Madonna der Gelbwesten“. Unumstritten ist sie in der Rolle nicht.
Jacline Mouraud arbeitet als selbstständige Hypnose-Therapeutin
Sie selbst bezeichnet sich zwar als „Durchschnittsfranzösin“, die ab vom Schuss in einem südbretonischen Dorf lebe und eigentlich unpolitisch sei, weil sie ohnehin alle Politiker für korrupt halte. Jeden Monat überziehe sie ihr Konto, da sie nichts besitze außer einem Dieselauto. Weniger als 1000 Euro monatlich habe sie zur Verfügung. Wenig repräsentativ ist allerdings der Beruf der Hobby-Akkordeonistin und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie arbeitet selbstständig als Hypnose-Therapeutin, die mit überirdischen Medien kommuniziert.
Inzwischen ließ Mouraud die Presse wissen, dass sie nach dem Erhalt anonymer Drohungen Klage eingereicht habe. Doch auch wenn sie ihre plötzliche Berühmtheit in erster Linie belaste, werde sie weiter im Namen der Leute sprechen, die wie sie in den Augen der Politiker „ein Nichts“ seien. Sie gehört zu der Gruppe der „freien Gelbwesten“, die nun in einer Zeitung einen Appell für gewaltfreien Protest und konstruktive Gespräche mit der Regierung veröffentlichten.
Premierminister Édouard Philippe lud auf Macrons Anweisung hin zum zweiten Mal eine Delegation von „Gelbwesten“ ein, doch die Protestler sagten ab. Jacline Mouraud nannte als Vorbedingung für die Begegnung den Widerruf der Erhöhung der Ökosteuer im Januar. Ob die Regierung irgendwann nachgibt, erscheint ungewiss. Wenn nicht, droht ein weiteres Wut-Video der aufgebrachten „Gelbweste“.
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