Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Porträt Günter Grass: Der Trommler

Porträt Günter Grass

Der Trommler

    • |
    Das Grass-Gedicht «Was gesagt werden muss» stößt überwiegend auf Kritik. Foto: Maurizio Gambarini dpa
    Das Grass-Gedicht «Was gesagt werden muss» stößt überwiegend auf Kritik. Foto: Maurizio Gambarini dpa

    Günter Grass, der 1927 in Danzig geborene stimmgewaltige Literat und illustrierende Grafiker, greift seit Jahrzehnten (gesellschafts-)politisch ein. Von seiner Gestimmtheit ist er ein Mahner und ein Moralist – und zwar eindeutig links von der Mitte. Als er 1956 sein Studium an der Berliner Hochschule für Bildende Künste beendet hatte und für vier Jahre nach Paris ging, um dort sein bedeutendstes Werk, „Die Blechtrommel“, zu schreiben, da war er einer der ersten deutschen Nachkriegsautoren, die den Nationalsozialismus auf realistische Manier im Roman verarbeiteten.

    Auch wenn „Die Blechtrommel“ gleichzeitig phantastische und groteske Züge aufweist, so war mit ihr doch der Grundstein für das gelegt, was das literarische Schaffen von Grass ausmacht und wofür er auch mit dem Nobelpreis geehrt wurde: für das Anschreiben gegen das Vergessen.

    Dass sich böse (deutsche) Geschichte nicht wiederhole, dass die Welt gerechter werde, dass sie auf die Atomkraft wegen ihrer Gefahren verzichten möge – dies sind nur einige Themen, für die sich der sechsfache Vater immer wieder einsetzte. 1961 und 1969 betrieb er für Willy Brandt Wahlkampf, doch wandte er sich später von ihm ebenso enttäuscht ab wie von der SPD, deren Parteimitglied er für zehn Jahre war.

    Gegen den Bundeskanzler Kiesinger stellte sich der mittlerweile zigfach übersetzte und millionenfach verkaufte Autor 1966 ebenso wie gegen Bundeskanzler Kohl 1985, gegen den Springer-Konzern und – nach dem Fall der Mauer – gegen die Wiedervereinigung Deutschlands. Eine Konföderation wäre ihm lieber gewesen.

    2006 aber erhielt die Glaubwürdigkeit des Moralisten Grass einen tiefen Kratzer: Im Vorfeld der Veröffentlichung seines autobiografischen Buches „Beim Häuten der Zwiebel“ bekannte er erstmals, dass er als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg gewesen war. Das einstige gute Gewissen der Nation erklärte: „Das musste raus, endlich.“ Eine wochenlange Debatte um den Kriegsfreiwilligen in jungen Jahren und den politischen Mahner in der Nachkriegszeit setzte ein. In der Öffentlichkeit trafen Milde auf Unverständnis und große Enttäuschung. Jetzt musste aus Grass wieder etwas raus, was lange schwelte: die Warnung vor einem alles auslöschenden Atomschlag, behandelt auch in seinem Roman „Die Rättin“. Anecken inbegriffen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden