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Porträt: Giovanni di Lorenzo: Der Wahlfälscher

Porträt

Giovanni di Lorenzo: Der Wahlfälscher

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    Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo stimmte bei der EU-Wahl doppelt ab.
    Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo stimmte bei der EU-Wahl doppelt ab. Foto: Paul Zinken/dpa

    Das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost titelte gestern: „Kann ein kluger Mann so dusselig sein?“ Diese präzise Frage bewegt seit Sonntagabend die Nation. Denn in der Talkshow „Günther Jauch“ hatte der deutsch-italienische Journalist und TV-Moderator Giovanni di Lorenzo mit an Arroganz grenzender Lässigkeit verraten, er habe bei der Europawahl doppelt gewählt. „Ich darf zweimal wählen, weil ich zwei Pässe habe.“

    Bislang bestanden an der Klugheit des vielfach ausgezeichneten Chefredakteurs der Wochenzeitung Die Zeit kaum Zweifel. Der 55-Jährige gilt als intelligenter Fragensteller. Seit 25 Jahren verleiht er der Talkshow „Drei nach Neun“ ein intellektuelles Niveau.

    Als Journalist zeichnet ihn aus, dass er sein Tun auch in Frage stellt

    Politisch engagierte sich der smarte Deutsch-Italiener Anfang 1992 in München bei der Organisation der Lichterketten gegen Fremdenfeindlichkeit. Kurze Zeit später verpflichtete ihn die Süddeutsche Zeitung als Reportage-Chef. In der gestrigen Ausgabe widmeten ihm die Ex-Kollegen anlässlich seines Fauxpas eine spöttische Streiflicht-Kolumne, in der sie an seinen Edelmut und die Eleganz beim Tragen weißer Schals erinnerten.

    1999 wechselte di Lorenzo als Chefredakteur zum Berliner Tagesspiegel, 2004 stieg er im Holtzbrinck-Verlag auf und übernahm Die Zeit in Hamburg. Dort lebt er mit seiner Partnerin, TV-Moderatorin Sabrina Staubitz, und der sechsjährigen Tochter Elea im feinen Stadtteil Winterhude an der Außenalster.

    Den Journalisten di Lorenzo zeichnet aus, dass er sich und sein Tun immer wieder in Frage stellt. Den Tagesspiegel versuchte er, zu einem bundesweit bedeutenden Medium zu machen. „Das war falsch“, verriet er kürzlich. „Der Markenkern von Regionalzeitungen sind Berichte über die Region.“

    di Lorenzo: „Mir war nicht bewusst, dass man nicht in zwei Ländern abstimmen darf“

    Bei der Zeit stellte er dann die Zielgruppe Frauen in den Fokus. Das Blatt wurde weiblicher. Auch die aktuelle Ausgabe zeigt wieder Emotionen: „Die Kurven und Kreise der Liebe – zwölf Infografiken über das schönste Gefühl der Welt“. Früher hätten intellektuelle Politik- und Feuilletonredakteure gegen diesen Romantikanfall rebelliert. Heute nicht mehr. Die Zeit glänzt seit Jahren mit stabiler Auflage.

    Seine Doppelwahl-Tölpelei wird der Medienmann aber nicht nur den Kollegen erklären müssen. Die Ausflucht: „Mir war nicht bewusst, dass man nicht in zwei Ländern abstimmen darf“, wird nicht reichen. Auch Zeit-Online hatte in den Tagen vor der Europawahl darüber berichtet, dass Doppelwähler wegen Wahlfälschung gegen das deutsche Strafgesetz verstoßen.

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