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Porträt: Der Hoffnungsträger

Porträt

Der Hoffnungsträger

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    Der Hoffnungsträger
    Der Hoffnungsträger Foto: Getty Images

    Frans Timmermans weiß, dass die Beschlüsse an diesem Sonntag kaum mehr als ein kleiner Etappensieg waren. Der 57-jährige Niederländer stand als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für die Europawahl am 26. Mai schon länger fest. Seine Parteienfamilie hat nun auch ein Wahlprogramm verabschiedet, für das Timmermans steht. Er wolle „die Seele Europas“ verteidigen, sagte er in den vergangenen Wochen immer wieder. Wie hart das ist, weiß der frühere niederländische Außenminister aus seinem bisherigen Job.

    Timmermans ist Vizepräsident der EU-Kommission, sicherlich der wichtigste der insgesamt sieben Stellvertreter, die sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ausgewählt hat. Und der Mann mit dem undankbarsten Job: Die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit gehört zu seinem Dossier. Seit fünf Jahren kämpft er gegen die Versuche der polnischen und ungarischen Regierung, die Pressefreiheit einzuschränken, die Meinungsfreiheit zu begrenzen, die Unabhängigkeit der Justiz zu unterbinden. Die Zahl der Briefe, die er nach Warschau und Budapest geschickt hat, füllt viele Ordner. Bewegen konnte er nichts. In Ungarn gilt Timmermans als Staatsfeind, als der Mann hinter Juncker, der die Regierung zwingen will, Migranten ins Land zu lassen.

    In dem dreiseitigen Programmentwurf stehen Forderungen wie Mindestlöhne in allen Mitgliedstaaten, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen ebenso im Vordergrund wie der Kampf gegen die Populisten. Timmermans soll das durchsetzen, will dafür stehen.

    Der Mann hat eine Vision, aber sein größtes Problem scheint die Schwäche der Sozialdemokraten in Europa zu sein. Gerade mal fünf der 28 Mitgliedstaaten werden noch sozialdemokratisch regiert.

    Timmermans wurde im niederländischen Heerlen bei Maastricht geboren, nur einen Steinwurf von Aachen entfernt. Er entstammt einer römisch-katholischen Familie, hat französische Literatur an der Radboud-Universität in Nijmegen (Nimwegen) studiert. Nach seiner Tätigkeit als Gastdozent wechselte er ins Außenministerium nach Den Haag. Von dort wurde er in den 90er Jahren an die Moskauer Botschaft des Oranje-Staates versetzt. Es war eine Zeit, an die er beim Vorgehen gegen Polen immer wieder erinnert. Er wisse, betont er oft, wie das Leben in einem totalitären Staatssystem ablaufe. Deshalb müsse man früh einschreiten.

    Timmermans gilt in der EU-Zentrale als Sprachengenie, weil er neben seiner Muttersprache auch fließend Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Russisch beherrscht – ein kaum zu überschätzender Vorteil bei Verhandlungen auf dem internationalen Parkett. Ob er sich allerdings gegen seinen christdemokratischen Gegenspieler Manfred Weber durchsetzen kann, erscheint fraglich. Timmermans müsste sich von der gegenwärtigen Juncker-Kommission absetzen und als jemand profilieren, der neue Ideen hat. Die Chance dafür bekommt er: In den nächsten Wochen wird er sein Amt in der EU-Behörde niederlegen, um für den Wahlkampf frei zu sein.

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