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Porträt: Deniz Yücel, der Gefangene im Erdogan-Staat

Porträt

Deniz Yücel, der Gefangene im Erdogan-Staat

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    Der Türkei-Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel.
    Der Türkei-Korrespondent der "Welt", Deniz Yücel. Foto: Karlheinz Schindler, dpa (Archivbild)

    Die Reihe wird länger und länger. Immer mehr Freunde und Kollegen fordern unter der Internet-Seite „#FreeDeniz“ die Freilassung des Türkei-Korrespondenten der Tageszeitung Die Welt, Deniz Yücel. Die Idee dazu hatte dessen Schwester Ilkay. Sie konnte es nicht mehr ertragen, im hessischen Flörsheim am Main untätig herumzusitzen und sich auszumalen, wie es ihrem Bruder in seiner Zelle in Istanbul geht. Doch seit Sonntag immerhin wissen die Angehörigen mehr.

    Denn der 43-Jährige hat seinen Anwälten in den Block diktiert, wie es ihm ergeht. In der Welt am Sonntag erfährt man, dass seine Zelle für drei Personen zwar stickig, aber beheizt ist. Duschen ist nur selten möglich, Rauchen gar nicht – darunter leidet Yücel nach eigenem Bekunden am meisten. Ihm blieb auch nicht verborgen, dass in seiner Heimatstadt ein Autokorso für seine Freilassung organisiert wurde.

    Deniz Yücel befindet sich wie viele andere Journalisten in Haft

    Yücel besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Die türkischen Behörden behandeln ihn derzeit so wie viele andere türkische Journalisten, die nach dem gescheiterten Putsch mit meist absurden Begründungen ins Gefängnis gesteckt wurden. Insbesondere, nachdem er im Februar 2016 auf einer Pressekonferenz in Ankara nach der Einigung auf das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei von Kanzlerin Angela Merkel wissen wollte, warum sie es vermeide, die Menschenrechtsverletzungen der Regierung beim Namen zu nennen. „Warum schweigen Sie?“, fragte er die Kanzlerin. Eine Frage, die Merkel ausweichend beantwortete, die aber von der türkischen Regierung als Provokation aufgefasst wurde.

    Die Quittung folgte mit Verzögerung. Anlass war eine Geschichte Yücels über E-Mails des türkischen Energieministers, in denen es um staatliche Eingriffe gegen die Pressefreiheit ging. Das genügte, um Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation einzuleiten – der Standardvorwurf gegen unliebsame Journalisten. Yücel hatte sich vor dreizehn Tagen entschlossen, sich der Polizei zu stellen. Die nahm ihn kurzerhand in Gewahrsam.

    Vorwurf gegen Deniz Yücel lautet "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation"

    In Flörsheim, wo Yücel 1973 geboren wurde und wo er zur Schule ging, ist die Verzweiflung seitdem groß. Der Vater, ein Arbeiter, der mit dem Strom türkischer Gastarbeiter ins Hessische kam, hatte seinen Sohn davor gewarnt, in die Türkei zu gehen. Doch der wollte ganz bewusst dorthin.

    Yücels journalistische Konstante ist die Provokation. 1999 startete er seine Laufbahn bei der stramm linken Jungle World. Dort war er schnell dafür berüchtigt, die Erwartungshaltung seiner Leser brutal zu enttäuschen. So ging es bei der Berliner taz weiter. Joachim Gauck, den er in einer

    Am Dienstag wird Yücel dem Haftrichter vorgeführt. Dann gibt es nur zwei Optionen: Freiheit oder Untersuchungshaft.

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