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Porträt: Bodo Ramelow: Der Kretschmann der Linken

Porträt

Bodo Ramelow: Der Kretschmann der Linken

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    Bodo Ramelow könnte in Thüringen bald schon der erste Ministerpräsident der Linken werden.
    Bodo Ramelow könnte in Thüringen bald schon der erste Ministerpräsident der Linken werden. Foto: Martin Schutt (dpa)

    Der Mann mit den zwei Gesichtern hat seine Lektion gelernt. Mit dem Bodo Ramelow, der vor neun Jahren die Linkspartei mit aus der Taufe hob, hat der Bodo Ramelow, der jetzt in die Thüringer Staatskanzlei einziehen will, nicht mehr viel gemeinsam. „Manchmal hab’ ich gedacht, der frisst morgens schon Reißnägel“, spottete der spätere Parteichef Klaus Ernst damals über das aufbrausende Naturell seines Mitstreiters. Mittlerweile jedoch gibt Ramelow, obwohl noch nicht gewählt, den bedächtigen Landesvater, den so leicht nichts aus der Ruhe bringt. Dass das Kapital über den Rennsteig flüchte, wenn er regiere, sagt er, „das glaubt hier niemand mehr.“

    Ramelow könnte bald der erste linke Ministerpräsident sein

    Läuft alles nach Plan, wird der 58-jährige West-Import bald der erste Ministerpräsident der Linken sein – ins Amt gehievt von einem Bündnis mit der SPD und den Grünen, das nur eine Stimme Mehrheit hat. Dass er grandios scheitert, weil die Mitglieder der SPD gegen diesen Pakt stimmen oder ein Abgeordneter ihm wie Heide Simonis in Schleswig-Holstein im Landtag die Gefolgschaft verweigert, glaubt Ramelow nicht. Ja, räumt er ein, er werde wohl drei Wahlgänge brauchen. Aber: „Ich bin ganz entspannt.“

    Für ihn persönlich wäre die Wahl zum Ministerpräsidenten auch eine persönliche Genugtuung, nachdem er vom Verfassungsschutz lange als potenzieller Staatsfeind beobachtet wurde. Als Linker galt Ramelow per se als verdächtig – obwohl er schon immer ein etwas anderer Linker war. Kein Atheist, sondern bekennender Christ. Kein sozialistischer Klassenkämpfer, sondern ein pragmatischer Seiteneinsteiger. Einer, der die DDR nicht ideologisch verklärt, sondern von deren Zusammenbruch durchaus profitiert hat.

    Ramelow gilt als große Hoffnung seiner Partei

    Als die Mauer fällt, gehört der Einzelhandelskaufmann Ramelow zum Mittelbau der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen: ein Funktionär mit überschaubaren Perspektiven, aber auch ein Mann mit großem Ehrgeiz. 1990 geht der gebürtige Niedersachse nach Thüringen, wo er Landesvorsitzender der Gewerkschaft wird und in den Aufsichtsrat der Handelskette Konsum einzieht. Neun Jahre später sitzt er für die PDS im Landtag, ein ebenso temperamentvoller wie scharfzüngiger Abgeordneter, der sein ungehobeltes Image regelrecht kultiviert. „Ich habe einen schlechten Ruf“, sagt er einmal, „und ich habe nicht vor, ihn zu verbessern.“

    Heute setzen vor allem die Pragmatiker in seiner Partei große Hoffnungen in ihn. Für sie ist Ramelow der Kretschmann der Linken - vernünftig anstatt verbohrt, bodenständig und über das eigene Milieu hinaus populär. Die neue Normalität, die der Ministerpräsident in spe verspricht, stößt allerdings schon jetzt an ihre Grenzen. Anstatt sich mit neuen Lehrerstellen, kostenfreien Kindergartenplätzen und der geplanten Gebietsreform zu beschäftigten, diskutiert die Thüringer Linke im Moment vor allem eine Frage: War die DDR nun ein Unrechtsstaat oder nicht?

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