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Porträt: Assad: Vom Hoffnungsträger zum Biedermann

Porträt

Assad: Vom Hoffnungsträger zum Biedermann

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    Das Bild von Präsident Assad bei einer Veranstaltung von Anhängern des Regimes in Damaskus. Foto: Youssef Badawi dpa
    Das Bild von Präsident Assad bei einer Veranstaltung von Anhängern des Regimes in Damaskus. Foto: Youssef Badawi dpa

    Es sieht so aus, als sei alles ganz normal. Der Präsident, blauer Anzug, dezent gemusterte Krawatte, erscheint vor dem Wahllokal. Hände strecken sich ihm entgegen, ein junger Mann fällt ihm um den Hals. Einen halben Schritt hinter dem Staatschef folgt seine Frau Asma, dunkelblondes Haar mit flottem Schnitt, modisch-elegant gekleidet. Die Szene spielt in Damaskus, der Präsident ist Baschar al-Assad. Es ist Sonntag, das Volk soll über eine neue Verfassung abstimmen.

    Zur gleichen Zeit in Homs: Die Truppen des Präsidenten schießen in der drittgrößten Stadt des Landes das Viertel Baba Amr sturmreif. In den zerbombten Häusern haben sich schlecht bewaffnete Kämpfer der Opposition verschanzt. Aber auch viele Tausend Zivilisten müssen dort ausharren. Das Elend der Menschen nimmt von Tag zu Tag zu, es fehlt am Lebensnotwendigsten, die Zahl der Toten und Verwundeten steigt unaufhörlich.

    Assads krampfhafter Versuch Normalität zu demonstrieren

    Vor diesem Hintergrund wirkt der Auftritt  Assads noch grotesker. Der Machthaber versucht krampfhaft, Normalität zu demonstrieren. Als ob angesichts der Eskalation im Land eine neue Verfassung die Gemüter beruhigen könnte. Hinterher meldet das Regime eine hohe Zustimmung. Mit der Wirklichkeit hat dies wenig zu tun.

    Seit rund einem Jahr demonstrieren vor allem sunnititsche Moslems gegen den Präsidenten. Der Funke des arabischen Frühlings, der in Tunesien und Ägypten entfacht worden war, hat auch in Syrien Nahrung gefunden. Aus anfänglich zaghaften Aktionen wird über die Monate eine gewaltige Bewegung. Das Regime kennt von Anfang an nur eine Antwort: Gewalt. Polizei und Armee schießen auf unbewaffnete Demonstranten. Inzwischen sind bei den Auseinandersetzungen 7500 Menschen ums Leben gekommen.

    Wer ist der Mann, der diese Orgie der Gewalt zu verantworten hat? Gerissen hat sich der heute 46-jährige Baschar al-Assad um das Amt des syrischen Präsidenten nicht. Aber er gehorcht, als sein Vater ihn ruft. Eigentlich ist als dessen Nachfolger der ältere Bruder Basil vorgesehen. Doch dieser kommt 1994 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Vater Hafiz al-Assad, der seit 1970 in Syrien herrschende „Löwe von Damaskus“ (al-Assad ist das arabische Wort für Löwe), holt darauf Baschar aus London zurück, wo der junge Mediziner die Spezialausbildung zum Augenarzt absolviert. Gerne hätte er diesen Beruf auch ausgeübt.

    Baschar al-Assad folgt auf seinen Vater

    Sechs Jahre nach der Rückkehr nach Damaskus wird es für ihn ernst: Nach dem Tod des Vaters im Juni 2000 kürt die Regierungspartei umgehend Baschar al-Assad zum Präsidentschaftskandidaten. Weil er zu jung ist, ändert das Parlament flugs die Verfassung und setzt das Mindestalter für den Präsidenten von 40 auf 34 Jahre herab. Bei der Volksabstimmung, zu der kein Gegenkandidat antreten darf, erhält Baschar 97 Prozent der Stimmen.

    Es ist der erste Fall einer dynastischen „Thronfolge“ in einer arabischen Republik. Dennoch verbinden sich mit dem jungen Präsidenten viele Hoffnungen. Er hat in den Jahren zuvor schließlich in Syrien Internet und Mobiltelefon eingeführt und sich ein Image als Kämpfer gegen die Korruption aufgebaut.

    Jetzt, so erwarten viele, wird er das verkrustete System reformieren. Davon ist zwar nicht viel zu bemerken. Aber Beobachter konstatieren immerhin einen neuen Regierungsstil. Der junge Präsident tritt unbefangen in der Öffentlichkeit auf. Das hatte es bei seinem Vater nicht gegeben. Baschars Frau Asma, in London aufgewachsen und von Beruf Investmentbankerin, engagiert sich für soziale Projekte. Das Paar mit seinen drei Kindern gilt als moderne Familie. 2007 gelingt al-Assad unangefochten die Wiederwahl.

    Assad der Biedermann

    Die erhofften Reformen bleiben aus, das politische Klima im Land ist weiter repressiv. Wie sein Vater stützt sich Baschar al-Assad auf Militär und Geheimpolizei. Diese Allianz hat ethnisch-religiöse Wurzeln. Die Familie Assad und viele Offiziere gehören zur alawitischen Minderheit. Diese schiitische Sekte lebt hauptsächlich in den armen Dörfern des Küstengebirges. Von der sunnitischen Mehrheit werden ihre Mitglieder oft nicht als Muslime anerkannt. Das schweißt zusammen.

    Noch immer hat Assad die Unterstützung eines Teils der Bevölkerung, darunter Schiiten, Alawiten und Christen, die sich vor einer sunnitisch-islamischen Herrschaft fürchten. Experten schätzen, die Lager der Gegner und Befürworter könnten ungefähr gleich stark sein. Eine Lösung ist derzeit weniger denn je in Sicht. Syrien droht, in einen Bürgerkrieg abzurutschen. Und Baschar al-Assad könnte das Schicksal des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi drohen. Aber noch fühlt er sich sicher. Denn anders als in Libyen muss er keine militärische Intervention befürchten. Baschar al-Assad tritt als Biedermann auf, während sein Volk den reinsten Horror erlebt.

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