Nach wochenlangem Streit hat sich die Bundesregierung darauf geeinigt, nun doch wissenschaftlich untersuchen zu lassen, welche Rolle Rassismus in den Reihen der Sicherheitsbehörden spielt. Innenminister Horst Seehofer hatte eine Studie, die sich rein mit Rassismus innerhalb der Polizei befasst, stets abgelehnt.
Seehofer wollte Beamte nicht unter Generalverdacht stellen lassen
Dadurch, so fürchtete der CSU-Politiker, würden die Beamten, die in der überwiegenden Mehrzahl fest auf dem Boden des Grundgesetzes stünden, unter Generalverdacht gestellt. Allerdings waren zuletzt in einigen Landespolizeibehörden Fälle bekannt geworden, in denen Polizisten in Chatgruppen fremdenfeindliche Inhalte ausgetauscht hatten. In der SPD, aber auch in Migrantenverbänden, wurde die Forderung nach einer Polizeistudie deshalb immer lauter.
Zuletzt bröckelte zudem in den Reihen der CDU-Innenminister die Ablehnung gegen eine solche Untersuchung. Bereits am Montag hat sich die schwarz-rote Regierungskoalition nun auf einen Kompromiss verständigt. Er sieht vor, dass sich eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung mit dem Verhältnis von Gesellschaft und Sicherheitsbehörden beschäftigen soll.
Es gehe im Kern um die Alltagserfahrungen von Polizisten. Erforscht werden solle etwa das Phänomen der zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamten. Eine Rolle spielen werde aber auch die „Null-Toleranz-Linie“ der Behörden in Bezug auf Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
Einigungsvorschlag zur Polizeistudie kam von der Gewerkschaft
Die Einigung, die Seehofer, SPD-Vizekanzler Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag erzielten, geht offenbar auf einen Vorschlag der Polizeigewerkschaft GdP zurück. Die hatte für eine Untersuchung plädiert, die sich mit dem Alltag der Beamten beschäftigt und deren Belastungen dokumentiere. Erforscht werden solle aber auch, warum sich in manchen Fällen „Vorurteile gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen“ verfestigten und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden könnten.
Von dem vereinbarten Vorgehen hatte zunächst Vizekanzler Olaf Scholz berichtet. „Es wird eine Studie geben“, so der SPD-Politiker, fraglich sei nur noch, wie sie genannt werden solle. Dazu tausche er sich „jeden zweiten Tag“ mit dem Innenminister aus. Seehofer aber hatte noch vergangene Woche betont, „dass wir kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern haben“. Einer gesonderten Studie, die schon im Auftrag eine Art Vorverurteilung enthalte, stimme er deshalb nicht zu.
An dieser Einschätzung, so sagte Seehofer am Dienstag, habe sich auch nichts geändert. Die Polizisten hätten ein hohes Maß an Vertrauen verdient. Dass er eine Untersuchung der geänderten Rahmenbedingungen für die Polizeiarbeit befürworte, habe er schon vor Wochen gesagt. Gleichzeitig habe er sich stets für eine Studie über Rassismus als gesamtgesellschaftliches Phänomen ausgesprochen.
Auch darauf haben sich Seehofer, Merkel und Scholz nun geeinigt. Erforscht werden sollen etwa mögliche rassistische Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche.
Gibt es künftig einen Rassismusbeauftragten?
Details zu den beiden vereinbarten Studienvorhaben wurden zunächst nicht bekannt – offenbar gibt es hier noch einigen Gesprächsbedarf. Dem Vernehmen nach ist die Einigung zur Erforschung von Rassismus in Polizei und Gesellschaft Teil eines größeren Kompromisspakets innerhalb der Großen Koalition. Für sein Entgegenkommen soll Seehofer die Zustimmung der SPD zu der von ihm seit langem geforderten Ausweitung der Befugnisse der Geheimdienste erhalten haben. Sie sollen künftig verdächtigen Personen sogenannte Trojaner aufs Handy spielen dürfen, um Nachrichten über Anwendungen wie WhatsApp mitschneiden zu können. Bei diesem Vorhaben hatte die SPD lange gebremst. Für die Sozialdemokraten springt bei dem Kompromisspaket aber wohl noch mehr heraus als Seehofers Entgegenkommen.
So sollen ein Rassismusbeauftragter bei der Bundesregierung eingesetzt und Initiativen gegen Extremismus mit mehr Geld ausgestattet werden. Der Rassebegriff soll aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Kinderrechte dagegen, so der Plan, würden von der Verfassung künftig garantiert. Noch vor der Bundestagswahl in einem Jahr sollen die Vorhaben in entsprechende Gesetze gegossen werden.
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