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Polizei: Rechtsextremismus ist in Deutschland auf dem Vormarsch

Polizei

Rechtsextremismus ist in Deutschland auf dem Vormarsch

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    Rechtsextremismus ist in Deutschland auf dem Vormarsch
    Rechtsextremismus ist in Deutschland auf dem Vormarsch

    Es ist beunruhigend: In Deutschland hat die rechtsextremistisch motivierte Gewalt erheblich zugenommen, während die Zahl der politischen Straftaten insgesamt zurückging. Wie das Bundesinnenministerium in Berlin mitteilte, wurden 2012 insgesamt 27.440 politisch motivierte

    Mehr rechte Gewalt in Deutschland

    Angestiegen seien allerdings die Straf- und Gewalttaten im rechten Spektrum - um 4,4 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent. Hier wiederum ging die Zahl fremdenfeindlicher Straf- und Gewalttaten besonders stark nach oben, nämlich um 16,5 und 10,8 Prozent. Auch die Zahl antisemitischer Straftaten habe 2012 wieder deutlich zugenommen, und zwar um 10,6 Prozent. Zudem haben die Behörden sechs versuchte rechte Tötungsdelikte verzeichnet, eines mehr als 2011.

    Innenminister Friedrich ist wegen der Zunahme rechter Gewalt besorgt

    Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betrachte diese Tendenz "mit Sorge", hieß es. "Wir müssen die rechte Szene im Auge behalten und den Fahndungsdruck weiter intensivieren." Dies hätten gerade auch die lange in ihrer Fremdenfeindlichkeit nicht erkannten Aktivitäten der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gezeigt. Dazu gehörten der lückenlose Erkenntnisaustausch und die enge Abstimmung der Sicherheitsbehörden.

    Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte die Zahl rechter Straftaten "besorgniserregend". Präsident Dieter Graumann sagte dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel" (Dienstag): "Gerade auch im Lichte der NSU-Erkenntnisse muss man realisieren, dass hinter diesen bloßen Zahlen allzu oft nur der pure Menschenhass steht. Ein derart großer Anstieg fremdenfeindlicher und antisemitischer Delikte sollte uns daher alle zum Handeln bewegen." Graumann forderte einen effektiveren Kampf gegen Rechtsextremismus.

    Die "Qualität" der Straftaten bereitet der Polizei Sorge

    Das Neonazi-Trio und seine mutmaßlichen Helfer

    UWE MUNDLOS: Der Professorensohn gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Am 4. November tötete sich der 38-Jährige selbst in einem Wohnmobil.

    UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige soll ein Waffennarr gewesen sein, der schnell und gerne zuschlug. Auch er wurde am 4. November tot in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wohl von Mundlos erschossen.

    BEATE ZSCHÄPE: Die 37-Jährige ist als Mittäterin wegen Mordes angeklagt. Sie stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Aufgefallen ist die erstmal als 17-Jährige bei mehreren Ladendiebstählen. In einem Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla lernte sie Uwe Mundlos kennen. Mit Uwe Böhnhardt hatte sie später eine Beziehung. Nachdem sie am 4. November 2011 die konspirative Wohnung der Gruppe in die Luft gesprengt hatte, fuhr Zschäpe tagelang mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland, bevor sie sich der Polizei stellte.

    RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige NPD-Funktionär sitzt seit dem 29. November 2011 in Untersuchungshaft. Er soll dem Terrortrio 1998 beim Untertauchen finanziell geholfen, ihnen Geld und auch die spätere Tatwaffe zukommen lassen haben. Der 37-jährige Fachinformatiker ist inzwischen zwar nicht mehr NPD-Mitglied. Dass er noch als NPD-Funktionär die NSU unterstützt hat, gilt aber als wichtiges Argument für ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren.

    HOLGER G.: Der am 14. Mai 1974 in Jena geborene G. war der erste mutmaßliche NSU-Helfer, den die Polizei festnahm. G. soll seit Ende der 90er Jahre Kontakt mit dem aus Thüringen stammenden Trio gehabt haben. Den Dreien soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und noch im Jahr 2011 einen Reisepass überlassen haben. So soll er ihnen ermöglicht haben, weiterhin verborgen zu agieren und rechtsextreme Gewalttaten zu verüben.

    CARSTEN S.: Der 32-Jährige soll zusammen mit Ralf Wohlleben die Tatwaffe zu den Morden beschafft haben. Nachdem S. umfassend ausgepackt hatte, ließ ihn die Bundesanwaltschaft im Mai nach viermonatiger Untersuchungshaft wieder frei. S. sagte sich nach Auffassung der Ermittler glaubhaft vom Rechtsextremismus los. Außerdem war er zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, ihm könnte nach dem milderen Jugendstrafrecht der Prozess gemacht werden.

    ANDRE E.: Dem aus Sachsen stammenden 33-Jährigen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt vor. E. soll eine enge Bindung zu dem Trio unterhalten haben. Im Jahr 2006 gab er Zschäpe als seine Ehefrau aus. Er soll den Wohnort der Drei verschleiert haben und ihnen seit dem Jahr 2009 Bahncards beschafft haben. Diese waren auf ihn und seine Frau ausgestellt, jedoch mit den Fotos von Zschäpe und Uwe Böhnhardt versehen.

    Die politisch links motivierte Kriminalität und Gewalt ist, nach deutlichem Anstieg im Vorjahr, nun dem Gesamttrend folgend deutlich rückläufig, teilte das Ministerium weiter mit. Das sei auf weniger Demonstrationen und Proteste, etwa gegen Castor-Transporte, zurückzuführen. Allerdings bereite hier die "Qualität" der Straftaten Sorge. Die Zahl versuchter Tötungen sei von drei auf acht gestiegen. Damit habe 2012 der Anteil der gegen Leib und Leben gerichteten Straftaten auf 53,5 Prozent der linken Gewalttaten insgesamt zugenommen.

    Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, beklagte, offenbar sinke die Hemmschwelle drastisch, vermeintliche politische Gegner wie auch Polizeibeamte anzugreifen. Bei der gestiegenen Zahl versuchter Tötungen Linksextremer seien in sechs Fällen Polizisten Zielscheibe gewesen. Angesichts der zum 1. Mai angekündigten Demonstrationen und Kundgebungen aus der rechten und linken Szene appellierte Witthaut an alle demokratischen Parteien, sich gegen jeder Form von politischem Extremismus abzugrenzen.

    Auch im Bereich politisch motivierter Ausländerkriminalität ist nach Angaben des Ministeriums ein "Aufschaukeln" zu beobachten. Obwohl auch hier die Zahl der Delikte insgesamt rückläufig sei, falle der Anstieg der Taten auf, die aus der Konfrontation mit der rechten Szene herrühre. "Gab es hier 2011 noch 23 einschlägige Delikte, waren es im Jahr 2012 bereits 39." Friedrich wies in diesem Zusammenhang auf mutmaßliche Attentatspläne von vier Salafisten auf den Vorsitzenden der Partei Pro NRW hin.  dpa/AZ

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