Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Pkw-Maut: Untersuchungsausschuss: Über Andreas Scheuer geht die Sonne auf

Pkw-Maut

Untersuchungsausschuss: Über Andreas Scheuer geht die Sonne auf

    • |
    "Fakt ist aber, dass wir rechtens gehandelt haben", sagt Andreas Scheuer.
    "Fakt ist aber, dass wir rechtens gehandelt haben", sagt Andreas Scheuer. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Andreas Scheuer wäre nicht Andreas Scheuer, hätte er keinen Spruch auf den Lippen. Auch unter Druck und wenn es um seinen Posten geht. „Für mich geht die Sonne gerade auf“, sagt der Verkehrsminister im Untersuchungsausschuss, als das helle Licht an diesem Donnerstag im Winter in den Sitzungssaal fällt. Die Opposition unternimmt da den zweiten Anlauf, Scheuer der Lüge zu überführen und damit zu stürzen. Anfang Oktober ist ihr das in der ersten Befragung des CSU-Politikers nicht gelungen. Auch der zweite Anlauf scheitert.

    Maut-Debakel: Es steht bei den Aussagen 6:2 gegen den Verkehrsminister

    In der Geschichte der Bundespolitik hat wahrscheinlich kein Minister stärker gewackelt ohne zu fallen. Die Liste der Verstöße, Unstimmigkeiten und Fragwürdigkeiten rund um das gescheiterte CSU-Prestigeprojekt Ausländermaut ist lang. FDP, Grüne, Linke, AfD und sogar der Koalitionspartner SPD bringen sie alle noch einmal gegen Scheuer vor. Bruch des Vergaberechts durch Nachverhandlungen mit den beiden Bieterfirmen, wie es auch der Bundesrechnungshof kritisiert hatte. Beiseitedrängen interner Kritiker, die darauf hingewiesen haben, dass die Maut vor dem Europäischen Gerichtshof krachend scheitern könnte. Unerklärbare Wissenslücken wichtiger Entscheidungsträger, wie bei Scheuers Staatssekretär Gerhard Schulz, der zeitweise nicht gewusst haben will, dass das Angebot der Maut-Firmen über eine Milliarde über dem vorgegeben Kostenrahmen lag. Schulz galt im Ministerium als „Mister Maut“. E-Mails zur Maut, die Scheuer nicht über seine Ministeradresse gehen ließ, sondern über seine Adresse als Abgeordneter.

    Der jahrelange Zoff um die Pkw-Maut

    15. Juli 2013: Die CSU nimmt die Pkw-Maut "für Reisende aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen" ins Wahlprogramm auf.

    1. September: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt im TV-Duell: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben."

    17. Dezember 2014: Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, beschließen Union und SPD die Infrastrukturabgabe für Pkw auf Autobahnen und Bundesstraßen. Ausländische Autos sollen nur auf Autobahnen bezahlen, Deutsche ihr Geld über eine niedrigere Kfz-Steuer voll zurückbekommen. Ein halbes Jahr später tritt das Gesetz in Kraft.

    18. Juni 2015: Die EU-Kommission gibt die Einleitung eines Verfahrens gegen Deutschland bekannt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) legt die Umsetzung der beschlossenen Maut auf Eis.

    24. März 2017: Wegen der Bedenken der EU beschließt der Bundestag Änderungen der Pkw-Maut. Auch der Bundesrat gibt grünes Licht.

    17. Mai: Die EU-Kommission akzeptiert die Gesetzesänderung und stellt ihr Verfahren gegen Deutschland ein.

    13. Oktober: Österreich reicht Klage vor dem EuGH ein. Aus Sicht des Nachbarlandes sind auch die geänderten Pläne diskriminierend für Ausländer.

    22. Oktober 2018: Die österreichische Firma Kapsch TrafficCom bekommt den Zuschlag im Vergabeverfahren "Automatische Kontrolle".

    30. Dezember: Im Vergabeverfahren "Erhebung" erhält ein Konsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim den Zuschlag. Verkehrsminister zu diesem Zeitpunkt ist Andreas Scheuer (CSU).

    6. Februar 2019: Der EuGH-Generalanwalt Nils Wahl empfiehlt den obersten EU-Richtern, die Klage Österreichs abzuweisen. Ihr liege ein "Missverständnis des Begriffs Diskriminierung" zugrunde.

    18. Juni: Der EuGH erklärt das 2017 beschlossene Maut-Gesetz für rechtswidrig. Am selben Tag wird veranlasst, die Verträge "Erhebung" und "Automatische Kontrolle" zu kündigen. Scheuer gerät wegen der kostspieligen Verträge in die Kritik.

    12. Dezember: Der Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags nimmt seine Arbeit auf und soll vor allem Scheuers Vorgehen durchleuchten. (dpa)

    Und natürlich der gravierende Vorwurf, dass der Minister den Bundestag belogen hat. Scheuer hatte dort im Plenum erklärt, es habe kein Angebot der Mautbetreiber gegeben habe, die Verträge über die Straßensteuer erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof zu besiegeln. Vier Zeugen bestätigen neben den Chefs der beiden Mautbetreiber Kapsch und Eventim, dass es so ein Verlängerungsangebot gegeben habe. Scheuers Version unterstützte nur sein früherer Staatssekretär Schulz. Es steht bei den Aussagen 6:2 gegen den Verkehrsminister. Der höfliche Linken-Abgeordnete Jörg Cezanne reagiert nach einem Jahr der Aufklärung im Ausschuss immer noch mit schierer Ungläubigkeit über die Zustände im Verkehrsministerium. „Ich muss ihnen sagen, ich verstehe nicht, was das für ein Vorgehen ist.“

    Scheuer im Untersuchungsausschuss: "Fakt ist, dass wir rechtens gehandelt haben"

    Der Verkehrsminister zeichnet freilich ein völlig anderes Bild von dem Ringen um die Maut. Von den Profis in seinem Hause vorangetrieben, flankiert von externen Beratern und abgestimmt mit der EU-Kommission. Das Ziel: „Juristische Unangreifbarkeit“, wie Scheuer es nennt. Er selbst will nur politische Vorgaben gemacht haben, ansonsten sei die Vergabe der Maut Sache der Verwaltung gewesen. „Meinen Sie tatsächlich, hochkarätige und lautere Mitarbeiter gäben sich dafür her, ein solches Großprojekt … ohne Absicherung zu bearbeiten“, fragt Scheuer seine Widersacher rhetorisch. „Fakt ist, dass wir rechtens gehandelt haben“.

    Die Bundesverkehrsminister der vergangenen 20 Jahre

    Franz Müntefering (SPD, 1998 - 1999)

    Reinhard Klimmt (SPD, 1999 -2000)

    Kurt Bodewig (SPD, 2000 - 202)

    Manfred Stolpe (SPD, 2002 - 2005)

    Wolfgang Tiefensee (SPD, 2005 - 2009)

    Peter Ramsauer (CSU, 2009 - 2013)

    Alexander Dobrindt (CSU, 2013 - 2017)

    Christian Schmidt (CSU, 2017 - 2018, kommissarisch)

    Andreas Scheuer (CSU, seit 2018)

    Bis zum späten Abend gerät Scheuer nicht in Not. Das Kreuzverhör geht danach weiter. Der Minister bleibt ruhig, lässt sich nicht provozieren, als ihm der FDP-Mann Christian Jung unter die Nase reibt, er habe eine keltische Arbeitsweise, weil so wenig dokumentiert sei. Die Kelten hatten keine eigene Schrift. Wird es eng für Scheuer, kann er sich nicht genau erinnern. Die Ausschussmitglieder von CDU und CSU schleppen die Befragung, um die Opposition zu ermüden.

    Scheuer hat das Glück, dass sein Parteichef Markus Söder an ihm festhält. Eine Entlassung würde in der Öffentlichkeit als eine Art Schuldeingeständnis gewertet, dass die CSU bei ihrem Vorhaben Recht und Gesetz gebogen und gedehnt hat. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will in Zeiten der umgehenden Seuche keine Unruhe (mehr) in der Regierungsmannschaft.

    „Wir sehen den Bundesminister entlastet“, sagte Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) schon vor Beginn der Sitzung. Scheuers Schicksal wird in München, nicht in Berlin entschieden.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden