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Pkw-Maut: Hätte sich Scheuers Maut-Debakel leicht verhindern lassen?

Pkw-Maut

Hätte sich Scheuers Maut-Debakel leicht verhindern lassen?

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    CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer im Bundeskabinett: "Nach meiner Kenntnis war das nix Konkretes."
    CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer im Bundeskabinett: "Nach meiner Kenntnis war das nix Konkretes." Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Der Untersuchungsausschuss zur Vergabe der umstrittenen Pkw-Maut-Verträge hat gerade erst begonnen, da gerät der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer bereits schwer in Erklärungsnot. Einem internen Vermerk aus Scheuers Ministerium zufolge war der CSU-Politiker zumindest aus finanziellen Gründen offenbar nicht so unter Zeitdruck, wie er es bislang dargestellt hat. Laut dem als vertraulich eingestuften Papier, in das unsere Redaktion Einblick hatte, hätte Scheuer die rund drei Milliarden Euro für den Aufbau der Pkw-Maut-Eintreibung unter bestimmten Voraussetzungen auch noch 2019 überweisen können.

    Die Opposition wirft Verkehrsminister Scheuer Trickserei vor

    "VS – Nur für den Dienstgebrauch" steht über dem zweiseitigen Vermerk, der vom 20. November 2018 datiert. Darin wird auf das Angebot der potenziellen Mautbetreiber Kapsch und Eventim verwiesen, das demnach am 17. Oktober 2018 eingereicht wurde. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass die im Haushalt hinterlegte Summe, eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung, in Höhe von 2,08 Milliarden Euro für die Vertragserfüllung nicht ausreicht, sondern 1,067 Milliarden Euro fehlen.

    Der jahrelange Zoff um die Pkw-Maut

    15. Juli 2013: Die CSU nimmt die Pkw-Maut "für Reisende aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen" ins Wahlprogramm auf.

    1. September: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt im TV-Duell: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben."

    17. Dezember 2014: Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, beschließen Union und SPD die Infrastrukturabgabe für Pkw auf Autobahnen und Bundesstraßen. Ausländische Autos sollen nur auf Autobahnen bezahlen, Deutsche ihr Geld über eine niedrigere Kfz-Steuer voll zurückbekommen. Ein halbes Jahr später tritt das Gesetz in Kraft.

    18. Juni 2015: Die EU-Kommission gibt die Einleitung eines Verfahrens gegen Deutschland bekannt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) legt die Umsetzung der beschlossenen Maut auf Eis.

    24. März 2017: Wegen der Bedenken der EU beschließt der Bundestag Änderungen der Pkw-Maut. Auch der Bundesrat gibt grünes Licht.

    17. Mai: Die EU-Kommission akzeptiert die Gesetzesänderung und stellt ihr Verfahren gegen Deutschland ein.

    13. Oktober: Österreich reicht Klage vor dem EuGH ein. Aus Sicht des Nachbarlandes sind auch die geänderten Pläne diskriminierend für Ausländer.

    22. Oktober 2018: Die österreichische Firma Kapsch TrafficCom bekommt den Zuschlag im Vergabeverfahren "Automatische Kontrolle".

    30. Dezember: Im Vergabeverfahren "Erhebung" erhält ein Konsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim den Zuschlag. Verkehrsminister zu diesem Zeitpunkt ist Andreas Scheuer (CSU).

    6. Februar 2019: Der EuGH-Generalanwalt Nils Wahl empfiehlt den obersten EU-Richtern, die Klage Österreichs abzuweisen. Ihr liege ein "Missverständnis des Begriffs Diskriminierung" zugrunde.

    18. Juni: Der EuGH erklärt das 2017 beschlossene Maut-Gesetz für rechtswidrig. Am selben Tag wird veranlasst, die Verträge "Erhebung" und "Automatische Kontrolle" zu kündigen. Scheuer gerät wegen der kostspieligen Verträge in die Kritik.

    12. Dezember: Der Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags nimmt seine Arbeit auf und soll vor allem Scheuers Vorgehen durchleuchten. (dpa)

    Scheuer hätte das Geld dem Vermerk zufolge durchaus bekommen können. "Haushalterisch besteht die Möglichkeit, noch in diesem Jahr eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung einzuwerben, um die fehlenden Mittel als Grundlage für den Vertragsabschluss einzuholen", heißt es. Der entsprechende Antrag hätte demnach dem zuständigen Haushaltsausschuss durch das Bundesfinanzministerium spätestens am 6. Dezember zugeleitet werden müssen.

    Scheuer drückte die Vertragssumme unter anderem durch Einführung variabler Vergütungen auf unter zwei Milliarden. Die Opposition wirft ihm deshalb Trickserei vor. Der Minister selber verwies zudem darauf, er habe den Betreibervertrag noch kurz vor dem Jahreswechsel unterschrieben, weil ihm das Geld sonst nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte.

    Scheuer hatte wohl keinen Zeitdruck: "Möglichkeit bestünde auch im nächsten Jahr"

    Der Vermerk aus seinem Hause geht aber auch auf dieses Szenario ein. Sollte ein "Antrag in diesem Jahr nicht mehr gestellt beziehungsweise bewilligt werden, bestünde die Möglichkeit, im nächsten Jahr eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung einzuwerben", heißt es.

    Am Mittwoch hatte Scheuer auf die Frage nach einer erneuten Bereitstellung des Geldes durch den Haushaltsausschuss ausweichend geantwortet, er habe "diese Information heute auch" bekommen. "Nach meiner Kenntnis war das nix Konkretes", sagte Scheuer und erklärte, er wolle sich erkundigen. Ein Sprecher seines Hauses erklärte am Donnerstag auf Anfrage, es habe keine Notwendigkeit bestanden, die zur Verfügung stehende Summe zu erhöhen, weil zwei Milliarden ja am Ende ausgereicht hätten.

    Die Bundesverkehrsminister der vergangenen 20 Jahre

    Franz Müntefering (SPD, 1998 - 1999)

    Reinhard Klimmt (SPD, 1999 -2000)

    Kurt Bodewig (SPD, 2000 - 202)

    Manfred Stolpe (SPD, 2002 - 2005)

    Wolfgang Tiefensee (SPD, 2005 - 2009)

    Peter Ramsauer (CSU, 2009 - 2013)

    Alexander Dobrindt (CSU, 2013 - 2017)

    Christian Schmidt (CSU, 2017 - 2018, kommissarisch)

    Andreas Scheuer (CSU, seit 2018)

    Grüner Stephan Kühn: "Scheuers Behauptung ist falsch"

    Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Stephan Kühn, wies Scheuers Darstellung zurück. "Die Behauptung von Verkehrsminister Scheuer, die Maut-Verträge noch vor dem EuGH-Urteil im Jahr 2018 unterschreiben zu müssen, ist falsch", sagte Kühn unserer Redaktion. "Akten zeigen, dass das keineswegs wie behauptet alternativlos war", erklärte das grüne Untersuchungsausschuss-Mitglied. "Es wäre möglich gewesen, unter Einbeziehung des Haushaltsausschusses eine Erhöhung der Mittel und eine verlängerte Bereitstellung der Haushaltsgelder zu erwirken." Scheuers eigene Beamte hätten  ihm das aufgeschrieben. "Die Dokumente zeigen erneut, Scheuer ist bewusst auf Risiko gegangen, um das Prestige-Projekt der CSU um jeden Preis vor der nächsten Bundestagswahl an den Start zu bringen", kritisiert der Verkehrsexperte.

    Der Untersuchungsausschuss "Pkw-Maut" nahm am Donnerstag offiziell seine Arbeit auf. "Im neuen Jahr werden wir mit ersten Zeugenbefragungen beginnen – eine entsprechende Liste haben wir bereits ausgearbeitet und mit den anderen unterstützenden Oppositionsfraktionen abgestimmt", erklärte FDP-Obmann Christian Jung. Es gebe noch viele offene Fragen, deshalb seien die notwendigen Unterlagen mit entsprechenden Beweisbeschlüssen angefordert worden.

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