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Pflegekräfte: Was passiert, wenn die Pfleger krank werden? 

Pflegekräfte

Was passiert, wenn die Pfleger krank werden? 

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    Pfleger tragen in der Krise die Hauptlast. Zugleich gehören sie zu der Berufsgruppe, die sehr gefährdet ist, sich mit dem Corona-Virus anzustecken.
    Pfleger tragen in der Krise die Hauptlast. Zugleich gehören sie zu der Berufsgruppe, die sehr gefährdet ist, sich mit dem Corona-Virus anzustecken. Foto: Birgit van Beuningen, obs

    Bei einer Routineuntersuchung kommt es heraus: Die junge Intensivpflegerin, deren Name nicht genannt werden soll, hat Covid-19-Antikörper im Blut. Die 30-Jährige hat also eine Corona-Infektion durchgemacht. Sie fühlt sich gut, andererseits ist das Virus noch nicht komplett erforscht, und niemand kann derzeit wissen, ob es zu Folgeschäden kommt. Die Krankenpflegerin will die Corona-Infektion als Berufskrankheit anerkennen lassen, doch der Arbeitgeber mauert. Sie hätte sich, heißt es, das Virus ja auch außerhalb des Krankenhauses zuziehen können.

    Der Fall zeigt die Diskrepanz zwischen öffentlichem Lob, das den Pflegekräften zuteilwird, und der rauen Alltagswelt, in der Paragrafen und Bedenken keinen Platz für Anerkennung lassen. Dabei zählen die Beschäftigten in Krankenhäusern, Arztpraxen, Dialyseeinrichtungen und Rettungsdiensten zu den infektionsgefährdetsten überhaupt. Laut aktuellem Lagebericht des Robert- Koch-Instituts waren mit Stand Donnerstag 15.186 Covid-19-Fälle in diesem Bereich gemeldet. Hinzu kommen 10.641 Fälle in Pflegeeinrichtungen, Flüchtlingsheimen, Justizvollzugsanstalten und anderen Einrichtungen, in denen Homeoffice eben nicht möglich ist und viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen.

    Auch die Genesenen fürchten Folgeerkrankungen

    Die weit überwiegende Mehrzahl der Infizierten ist wieder genesen. Sie leben mit der Furcht vor Folgeerkrankungen weiter. Rund 1100 der Infizierten werden derzeit in Krankenhäusern behandelt, 63 sind gestorben. „Die Beschäftigten in der Pflege sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt und müssen deshalb besser geschützt werden“, forderte die Gesundheitsexpertin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Ferschl. Sie hat auch eine Idee, wie dieser Schutz aussehen könnte. „Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf sechs Stunden wäre ein Anfang“, sagte sie unserer Redaktion. Die Praxis zeige, dass kürzere Arbeitszeiten Pflegepersonal und Patienten schützen könnten. „Darüber hinaus haben die Beschäftigten echte Anerkennung verdient, und zwar in Form von besserer Bezahlung“, sagte Ferschl mit Blick auf die laufenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst, die auch Krankenhauspersonal einschließen. „Ein Angebot der Arbeitgeber von null Prozent Erhöhung ist ein Schlag ins Gesicht. Vom Applaus allein kann niemand leben“, sagte Ferschl.

    Vorbeugung könnte sich auch in finanzieller Hinsicht lohnen. Die Gesamtausgaben für anerkannte Berufskrankheiten durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) lagen neuesten verfügbaren Zahlen zufolge 2018 bei mehr als 1,6 Milliarden Euro. Durch die Corona-Pandemie könnte sich dieser Posten noch erhöhen.

    Die Zahlen der Berufsgenossenschaft sind brisant

    Laut Zahlen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) gingen allein in ihrem Zuständigkeitsbereich, den nicht staatlichen Einrichtungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege, bis Mitte August bundesweit 9308 meldepflichtige Anzeigen wegen des Verdachts auf eine berufsbedingte Covid-19-Erkrankung ein. Davon wurden 5947 Fälle bereits anerkannt. In 1696 Fällen habe sich der Verdacht nicht bestätigt, teilte die BGW auf Anfrage unserer Redaktion mit. Eine ähnlich hohe Zahl an Fällen wird demnach geprüft. Zum Vergleich: 2019, also vor Corona, lag die Zahl aller anerkannten Fälle bei 7284 für das Gesamtjahr. Für die Einrichtungen in staatlicher Trägerschaft, beispielsweise kommunale Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen, ist die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zuständig, die noch keine Zahlen liefern konnte.

    Das Bundesgesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, es gebe derzeit keine Pläne, auf die hohe Gefährdung der Pflegekräfte besonders zu reagieren. Am Mittwoch wurde bekannt, dass nun auch Pflegekräfte in Krankenhäusern einen Bonus von bis zu 1000 Euro bekommen sollen. Dafür stehen 100 Millionen Euro bereit, was lediglich für rund ein Viertel der 444.000 Mitarbeiter reichen würde. Das Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht auch hier keinen Handlungsbedarf, wie ein Sprecher sagte.

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