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Pferdefleischskandal: Ist Pferd das neue Rind? Aigner will trotzdem keine Lebensmittelpolizei

Pferdefleischskandal

Ist Pferd das neue Rind? Aigner will trotzdem keine Lebensmittelpolizei

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    Ist Pferd das neue Rind? Aigner will trotzdem keine Lebensmittelpolizei
    Ist Pferd das neue Rind? Aigner will trotzdem keine Lebensmittelpolizei

    Laut der Verbraucherorganisation wurden ganze Pferdeviertel als Rindfleisch gehandelt. Darüber hätten sich die europäischen Lebensmittelbehörden am 5. April informiert, teilte Foodwatch am Freitag in Berlin mit. Das befeuert erneut den Ruf nach Konsequenzen und besseren Kontrollen.

    SPD-Chef Gabriel will Lebensmittelpolizei

    SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte eine europäische Lebensmittelpolizei. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) erteilte dem eine klare Absage.

    Zwischen dem 1. Februar und dem 10. April hätten die Behörden Kenntnis von 58 Fällen erhalten, in denen nicht-deklariertes Pferdefleisch grenzüberschreitend vermarktet worden sei, teilte Foodwatch mit. Dies habe die Auswertung der Meldungen im europäischen Informationssystem RASFF ergeben. Weitere Betrugsfälle mit nur national gehandelten Lebensmitteln kämen dazu.

    Neuer Pferdefleischskandal: 100 Prozent Pferd als Rind gehandelt

    Die Meldungen betrafen demnach Produkte aus fast allen europäischen Ländern. Seien in einigen Fällen nur geringe Mengen Pferdefleisch beigemischt worden, hätten Unternehmen auch "gewürfeltes Rindfleisch", "Rindersteaks" oder Salami vertrieben, die in Wahrheit 100 Prozent Pferdefleisch enthielten.

    Gesunde Lebensmittel nur für Besserverdiener?

    SPD-Chef Gabriel sagte, eine SPD-geführte Bundesregierung werde darauf dringen, nach dem Vorbild von Europol eine Lebensmittelpolizei einzurichten, die Nahrungsmittelskandalen auf den Grund gehen könne. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich nur noch Besserverdiener gesunde

    Aigner: Der Pferdefleischskandal sei einfach Betrug

    Verbraucherschutzministerin Aigner wies die Forderung zurück. "Der reflexartige Ruf nach immer neuen Behörden hilft uns nicht weiter", sagte sie am Freitag bei der Agrarministerkonferenz des Bundes und der Länder im bayerischen Berchtesgaden. Bei dem Pferdefleischskandal handle es sich um Betrug. "Hier sind Kriminalisten gefragt und nicht Lebensmittelkontrolleure." Nach den Worten der Ministerin sind in Deutschland mehr als 120 Betriebe in fast allen Bundesländern betroffen. Es sei aber möglich, dass es mehr werden.

    50.000 Tonnen Fleisch falsch deklariert

    Ein niederländischer Großhändler soll schon seit mehr als zwei Jahren Pferdefleisch falsch etikettiert und verkauft haben. Europaweit sollen es 500 Betriebe sein. Den niederländischen Behörden zufolge geht es um 50.000 Tonnen Fleisch. Das heiße aber nicht, dass die gesamte Menge mit Pferdefleisch vermischt oder anderweitig falsch deklariert wurde. Das meiste davon dürfte schon verzehrt sein.

    Aus Pferd wird Wurst

    So wurde zum Beispiel in Rheinland-Pfalz ein Teil der Ware mit möglicherweise nicht deklariertem Pferdefleisch zu Wurst verarbeitet. Das teilte eine Sprecherin des Landesuntersuchungsamtes in Koblenz mit.

    Willy Selten fordert eine Entschädigung von 5,8 Millionen Euro

    Lebensmittelskandale in Deutschland

    2013: In Supermarktprodukten wird neben dem angegebenen Rindfleisch auch Pferdefleisch gefunden.

    Kurz darauf wird bekannt, dass Millionen Eier aus Freiland- und Bodenhaltung als angebliche Bio-Eier verkauft worden sein sollen.

    2012: Im Februar stellte sich heraus, dass es schwere Hygiene-Mängel bei Müller-Brot gibt. Bereits zuvor hatte die Behörde dafür Bußgelder verlangt und die Produktion wurde teilweise gestoppt. Unteranderem wurden Schaben in Backzutaten gefunden worden.

    2011: In Deutschland sterben rund 40 Menschen an den Folgen des gefährlichen EHEC-Darmkeims.

    Später stellt sich heraus: EHEC war von belasteten Sprossen aus Ägypten ausgelöst worden.

    Ende 2010/Anfang 2011: Nach dem Fund von mit Dioxin verunreinigten Futtermitteln werden tausende Bauernhöfe vorübergehend gesperrt.

    Legehennen werden getötet, der Verkauf von Eiern aus betroffenen Betrieben wird gestoppt. Auch Schweinefleisch soll belastet sein.

    Bereits im Frühjahr 2010 waren Ökohöfe gesperrt worden, an die vermutlich mit Dioxin belastetes Bio-Futtermittel geliefert worden war.

    2008: Vergammelter Mozzarella aus Italien landet auf deutschen Käsetheken.

    Insgesamt sollen rund 11 000 Tonnen des mit Würmern und Mäusekot verunreinigten Käses europaweit als frische Ware angeboten worden sein.

    2005: Mindestens 50 Betriebe und Lager sind in Geschäfte mit verdorbenem Fleisch verwickelt. Große Mengen wurden zu Döner, Bratwurst und Geflügelnuggets verarbeitet.

    2005: In zwei Filialen einer Supermarktkette werden bei Hannover Mitarbeiter beim Manipulieren von Fleischverpackungen ertappt.

    Sie hatten Hackfleisch mit abgelaufenem Verbrauchsdatum neu verpackt und so das Verfallsdatum verlängert.

    1997: Ein Skandal um illegale Rindfleisch-Importe aus Großbritannien verunsichert die Verbraucher.

    Aus Angst vor der Rinderseuche BSE werden in Deutschland Tausende Tiere getötet, der Konsum von Rindfleisch geht drastisch zurück.

    Als Auslöser der Krankheit gilt die Verfütterung von Tiermehl und Tierfett, die 2001 europaweit verboten wird.

    Der niederländische Großhändler Willy Selten fordert eine Entschädigung von 5,8 Millionen Euro. Die Forderung sei im März an die niederländische Kontrollbehörde für Lebensmittel gestellt worden, erklärte der Anwalt des Unternehmers, Frank Peters. Die Behörde hatte den Großhandel im Februar für einige Zeit stillgelegt. Das habe dem Unternehmen geschadet. Die Kontrolleure hatten in zwei Rindfleischproben Pferdefleisch entdeckt.

    Der Skandal zeige, dass das Kontrollsystem versagt habe, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg. "Das gesamte Kontrollsystem muss endlich auf den Prüfstand und zentral und einheitlich auf Bundesebene geregelt werden." Zudem müssten Informanten gesetzlichen Schutz bekommen. Das sei wichtig für Arbeitnehmer, die auf Missstände aufmerksam machen.  dpa/AZ

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