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Parteitag: Rosige Zeiten für die SPD?

Parteitag

Rosige Zeiten für die SPD?

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    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wurde am Montag auf dem Bundesparteitag der SPD in Berlin in seinem Amt bestätigt. Unter dem Slogan „Unser Kapital: Demokratie und Gerechtigkeit“ haben die Delegierten über die Ausrichtung der Partei vor den Bundestagswahlen 2013 beraten. Eigene Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur umschiffte Gabriel in seiner Rede lässig.
    Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wurde am Montag auf dem Bundesparteitag der SPD in Berlin in seinem Amt bestätigt. Unter dem Slogan „Unser Kapital: Demokratie und Gerechtigkeit“ haben die Delegierten über die Ausrichtung der Partei vor den Bundestagswahlen 2013 beraten. Eigene Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur umschiffte Gabriel in seiner Rede lässig. Foto: Foto: dpa

    Sigmar Gabriel kommt viel herum in Deutschland – willkommen aber ist der SPD-Chef auch unter seinesgleichen nicht überall. Früher, erzählt er, sei er bei Unternehmensbesuchen von Betriebsräten und Belegschaften immer wie einer der ihren empfangen worden, ein Genosse eben. Heute dagegen erlebt Gabriel bei seinen Terminen auch auf vertrautem Terrain häufig eine gewisse Reserviertheit, ein Gefühl der Ohnmacht, das viele Menschen immer weiter von ihren Politikern entfremdet. Dann ist auch der Genosse Gabriel nur noch einer von denen da oben, denen ohne Bodenhaftung. Wählen, sagen sie ihm dann, lohne sich eh nicht mehr. Regiere nicht längst das Geld die Welt?

    Er will gegen Politikverachtung kämpfen

    „Wir müssen unser Verhalten ändern“, mahnt Gabriel deshalb vor dem Parteitag der SPD. Und das beginne schon bei ganz einfachen Dingen wie dem Veröffentlichen aller Nebeneinkünfte: „Die Menschen wollen wissen, ob sie ihre Abgeordneten bezahlen oder jemand anders.“ Bei der nächsten Bundestagswahl sei für ihn deshalb auch nicht die Union der größte Gegner, sondern genau jenes diffuse Gefühl der Ohnmacht, das sich in niedrigen Wahlbeteiligungen und einer zunehmenden Politikverachtung äußert.

    Zwei Jahre nach dem dramatischen Absturz der Partei auf 23 Prozent, sagt Gabriel, „sind wir wieder im Spiel“. Als er damals in Dresden den Parteivorsitz von Franz Müntefering übernahm, waren die Kommentare in den Zeitungen alles andere als schmeichelhaft und die Prognosen für die nähere Zukunft wenig verheißungsvoll. Mittlerweile allerdings trennen die SPD von der Union je nach Umfrage nur noch vier oder fünf Prozentpunkte. Das Spiel ist wieder offen.

    Couragierte Rede

    Eine „große Gemeinschaftsleistung“ nennt Gabriel diesen Wiederaufstieg. Die 91,6 Prozent, mit denen er anschließend im Amt bestätigt wird, sind allerdings nicht nur der Dank für die Arbeit der vergangenen beiden Jahre, sondern auch für eine couragierte Rede, in der er die heikle Frage der Kanzlerkandidatur lässig umschifft und sich lieber mit den gewonnenen Landtagswahlen und dem Erscheinungsbild der Koalition beschäftigt. Wer in knapp zwei Jahren Angela Merkel herausfordert, er selbst, Frank-Walter Steinmeier oder doch Peer Steinbrück, werde schließlich nicht in einem öffentlichen Casting entschieden, sondern rechtzeitig vor der Wahl von der SPD selbst.

    „Nehmt das locker und heiter“, empfiehlt er den Delegierten. „Lasst den Medien ihren Spaß.“ Die allerdings werden ihren Blick nun möglicherweise auch noch auf Hannelore Kraft richten, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin, die mit dem fulminanten Ergebnis von mehr als 97 Prozent als stellvertretende Parteivorsitzende wiedergewählt und damit fast zwangsläufig zu einer Art Kronprinzessin wird.

    Mal tiefsinnig, mal angriffslustig

    Gut eineinhalb Stunden lang redet Gabriel – mal philosophisch nachdenklich wie bei der Passage über die tiefe Kluft zwischen den Politikern und den Menschen, die sie vertreten, mal vorsichtig warnend, weil die Partei es auch nicht übertreiben soll mit ihren Forderungen nach einem höheren Spitzensteuersatz oder einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen, mal angriffslustig wie ein Kanzlerkandidat in Hochform. Steuerentlastungen auf Pump, wie die Koalition sie plant? „Das ist Politik zulasten Dritter.“

    Das umstrittene Betreuungsgeld, das die CSU gegen große Widerstände durchgeboxt hat? „Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn Christian Ude demnächst Ministerpräsident in Bayern wird.“ Panzerlieferungen an ein feudales Herrscherhaus wie das in Saudi-Arabien, die die Bundesregierung offenbar billigt? „Nie wieder!“ Und die runderneuerte FDP? Ein einziges Armutszeugnis, findet Gabriel. „Was haben Westerwelle und seine halbstarken Nachfolger nur aus dieser einstmals so stolzen Partei gemacht?“ Philipp Rösler, der neue Parteichef der Liberalen, habe kein Lieferproblem, wie es landläufig heißt. „Die haben ein Produktionsproblem.“

    Kritik an Merkel

    Auch an Angela Merkel arbeitet sich der SPD-Chef unter dem stürmischen Beifall der Delegierten kräftig ab. Ihre Formulierung von der marktkonformen Demokratie mit ihren kleinen, geheimen Gremien, in denen Europa bei Bedarf schnell entscheidet, um der ausufernden Spekulation Herr zu werden, sei ein verräterischer Satz, moniert Gabriel. „Wir wollen einen demokratiekonformen Markt.“ Unter Angela Merkel habe das Wort Krisenkanzlerin plötzlich eine ganz neue Bedeutung bekommen, lästert er. Ihr zögerliches Agieren habe die

    Mit François Hollande, dem sozialistischen Präsidentschaftskandidaten in Frankreich, ist der 52-Jährige sich da ganz einig: Die Zeit der Marktradikalen sei zu Ende, sagt er, dafür beginne nun eine neue, eine sozialdemokratische Epoche. Hollande, der als Gast der SPD nach Berlin gekommen ist und im Mai Nicolas Sarkozy schlagen will, formuliert es so: „Ich bin der Erste“, sagt er und dreht sich kurz hinüber, wo der Genosse Gabriel sitzt. „Zögern Sie nicht, nachzuziehen.“

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