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Parteitag: Kretschmann rechnet mit Trittin ab

Parteitag

Kretschmann rechnet mit Trittin ab

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    Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann
    Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann Foto: Daniel Bockwoldt, dpa

    Mit einem Schlag ist es in der engen und stickigen Uferhalle im Berliner Arbeiterbezirk Wedding so still, dass man eine Stecknadel zu Boden fallen hören könnte. Wie auf ein geheimes Kommando strömen die Delegierten, die eben noch in Grüppchen zusammenstanden, in die Halle zurück und lauschen, was er zu sagen hat: Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg, der erste und bislang einzige Ministerpräsident der Grünen.

    Kretschmann knöpft sich die Wahlkampfstrategie der Grünen vor

    Kretschmann redet auf dem Kleinen Parteitag nicht lange um den heißen Brei herum, sondern wendet sich direkt an den gescheiterten Spitzenkandidaten Jürgen Trittin. „Man muss auch offen sein, sich einmal belehren zu lassen und nicht selber zu belehren“, sagt er. „Und deshalb, lieber Jürgen, darf das Hauptwort nicht mehr Angriff sein.“

    Kretschmann knöpft sich die Wahlkampfstrategie der Grünen vor, die völlig falsch gewesen sei, einseitig, mit dem Thema Steuererhöhungen und Verteilungsgerechtigkeit im Mittelpunkt. Ohne Not seien die Grünen damit in einen Lagerwahlkampf getappt, ohne zu wissen, wie ihnen geschehe. „Wir stehen nicht mehr am Rand. Unsere Themen sind in der Mitte angekommen, deshalb müssen wir jetzt einen anderen Habitus haben.“ Auch das ist klar gegen Jürgen Trittin gerichtet, der schweigend, den Kopf mit der Hand abgestützt, die Abrechnung über sich ergehen lässt. „Das ist der Beginn des Kretschmannismus in der grünen Partei“, sagt hinterher sichtlich beeindruckt eine Delegierte aus dem Realo-Lager.

    Einen Tag nehmen sich die Grünen Zeit, um über ihr Debakel bei der Bundestagswahl zu beraten. Dass alle Wahlziele klar verfehlt wurden, räumen sowohl die Spitzenkandidaten Trittin und Katrin Göring-Eckardt wie die bisherigen Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir ein. Weder reichte es für eine rot-grüne Mehrheit, noch bekam die Partei sechs Millionen Stimmen, vielmehr gab sie eine Million Stimmen ab, je zur Hälfte an Union und SPD.

    Differenzen zwischen den Flügeln - den Linken und den Realos

    Doch die Schlüsse, die die Grünen daraus ziehen, fallen höchst unterschiedlich aus, die Differenzen zwischen den Flügeln, den Linken und den Realos, treten wieder offen zutage. Den Vorwurf, das Programm sei zu links gewesen, weist Trittin entschieden zurück, in manchen Bereichen sei es sogar „weiter rechts“ als das vor vier Jahren. Der Noch-Fraktionschef, der nicht mehr für dieses Amt antritt, macht vielmehr eine massive Kampagne der Wirtschaftsverbände für den Gegenwind verantwortlich, zudem beklagt er sich mit Blick auf die Baden-Württemberger über fehlende Unterstützung in den eigenen Reihen.

    So wenig Selbstkritik stößt im Lager der Realos auf Kritik. Die Freiburgerin Kerstin Andreae, die sich um den Fraktionsvorsitz bewirbt, kritisiert, dass die Grünen mit ihrem Programm den Mittelstand, die Handwerker und die Freiberufler verprellt hätten. Es sei nötig, den Dialog wieder aufzunehmen und „Brücken zu bauen“. Der frühere Parteichef Reinhard Bütikofer appelliert eindringlich an seine Parteifreunde, das alte Lagerdenken aufzugeben und den Platz in der Mitte anzunehmen, offen für „alle denkbaren Koalitionen“.

    Simone Peter lehnt zu starken Kurswechsel ab

    Die Saarländerin Simone Peter hingegen, die für den linken Flügel als Parteichefin kandidiert, lehnt einen zu starken Kurswechsel ab. „Es gibt keinen Grund dafür, uns neu zu erfinden.“ Die Grünen müssten vielmehr ihr ureigenstes Thema, den Klimawandel, wieder ins Zentrum rücken. Auch die scheidende Parteichefin Claudia Roth empfiehlt: zurück zu den Wurzeln.

    Für eine schwarz-grüne Koalition spricht sich niemand aus. Gleichwohl macht der Kleine Parteitag den Weg für Sondierungsgespräche mit CDU und CSU frei. Sollten daraus ernsthafte Koalitionsverhandlungen werden, wird nicht nur die alte Garde mit Jürgen Trittin an der Spitze die Gespräche führen, sondern auch Winfried Kretschmann.

    Ohne ihn – erst recht gegen ihn – läuft in der Partei nichts mehr.

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