Angesichts in der Corona-Pandemie verschobener Bundesparteitage wächst unter den Parteien der Druck auf CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer, die Rechtmäßigkeit von digitalen Wahlen und Abstimmungen auf Online-Delegiertentreffen zu prüfen. „Das Innenministerium muss die bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Weg räumen und endlich klären, unter welchen Bedingungen parteiinterne Wahlen digital möglich sind“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil unserer Redaktion. „Vielleicht führt der Druck in der CDU ja dazu, dass sich etwas bewegt“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf den Mitte Januar geplanten CDU-Parteitag.
Klingbeil verwies darauf, dass die SPD bereits in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz digitale Parteitage erfolgreich erprobt habe. „Online-Wahlen auf solchen Parteitagen sind leider noch nicht möglich, dafür gibt es hohe Hürden und noch keine Rechtssicherheit.“ Darauf verweise auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Die SPD habe grundsätzliche Unterstützung für eine rechtssichere Lösung längst zugesagt. „Gleichwohl sind die Zeitpläne bis Mitte Januar sehr ambitioniert.“
FDP warnt vor Hauruck-Verfahren für CDU-Parteitag
Auch die FDP dringt auf rasche Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für Online-Wahlen: „Wir Freie Demokraten wollen digitale Abstimmungen auf Parteitagen möglich machen und sind bereit, an einer entsprechen Änderung des Parteiengesetzes konstruktiv mitzuwirken“, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing unserer Redaktion. „Ziel muss sein, dass echte virtuelle Parteitage möglich sind, dafür müssen sie im Parteiengesetz verankert werden“, betonte er.
Allerdings müssten die damit verbundenen Rechtsfragen intensiv geklärt werden. „Sollte sich bei der rechtlichen Prüfung über digitale Wahlen allerdings ergeben, dass eine Änderung des Grundgesetzes notwendig ist, sollte die Debatte darüber mit der notwendigen Sorgfalt erfolgen“, betonte Wissing. „Hauruck-Verfahren, nur um den nächsten CDU-Parteitag zu retten, darf es nicht geben.“
CSU-General Blume: Sind sehr offen für Online-Wahlen
Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume begrüßte die Debatte, um digitale Abstimmungen. „Wir sind sehr offen dafür, Online-Wahlen rechtssicher zu ermöglichen und die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen“, sagte Blume. „Ob es technisch möglich ist, die Grundsätze der geheimen Wahl und der Nachvollziehbarkeit der Stimmabgabe zuverlässig zu erfüllen, muss sich zeigen.“
Linke warnt vor Hackerangriffen bei digitaler Wahl
Die Linke-Fraktion lehnt eine rasche Verfassungsänderung ab: „Gerade mit Grundgesetzänderungen darf nicht leichtfertig umgegangen werden, da erwarte ich von der CDU mehr Seriosität, selbst von Friedrich Merz“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion Jan Korte unserer Redaktion.
„Auch unserer Parteitag ist abgesagt worden, wir kämen aber nicht auf die Idee, von der Republik spontane Gesetzänderungen zu fordern, nur weil es besser in unsere Agenda passt“, betonte er. „Digitalen Wahlen stehe ich extrem skeptisch gegenüber, es sind schon etliche als sicher geltende Systeme gehackt worden", betonte Korte.
Grüne: Brauchen unbedingt mehr Rechtssicherheit
Auch die Grünen fordern eine rasche Klärung der offenen Fragen: „Die Corona-Pandemie führt uns allen vor Augen, dass wir in dieser Lage unbedingt mehr Rechtssicherheit für die Parteien brauchen“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion Britta Haßelmann unserer Redaktion. Die Grünen sprechen sich für parallele Schlussabstimmungen per Briefwahl aus, um digitale Abstimmungen rechtlich abzusichern „Wichtig ist, dass elektronisch erfolgte Wahlen über eine Briefwahl bestätigt werden“, sagte Haßelmann.
Die Grünen-Politikerin begrüßte die Debatte um digitale Abstimmungen: „Es ist gut, wenn sich in dieser schwierigen Frage jetzt etwas bewegt“, sagte Haßelmann. „Wir Grüne haben dies bereits bei den Beratungen zur gerade erst erfolgten Änderung des Bundeswahlgesetzes auch für Parteivorstände angemahnt. Das war leider kein Thema für Union und SPD.“
SPD-Fraktionsvize sieht hohe rechtliche Hürden
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Dirk Wiese äußerte sich skeptisch, ob eine Änderung des Parteiengesetzes ohne Änderung des Grundgesetzes für digitale Wahlen ausreiche: „Bei Wahlen und Satzungsänderungen gibt es aber hohe rechtliche Hürden, die in unserer Verfassung aus gewichtigen Gründen niedergeschrieben sind“, sagte der SPD-Politik. „Die SPD-Fraktion im Bundestag verschließt sich jedenfalls keinen sinnvollen Anpassungen, die rechtlich zulässig und technisch auch sicher durchführbar sind“, fügte er hinzu.
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